Abtreibung in USA: Krieg der Juristen hat gerade erst begonnen
Seit Wochenbeginn sind Abtreibungen in Kentucky wieder illegal, und zwar auch nach einer Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch in der Familie. Einem konservativen Richter am Berufungsgericht in der Hauptstadt Frankfort ist es gelungen, nach knapp vier Wochen das Urteil seiner liberalen Widersacher auszuhebeln. Die hatten nämlich Ende Juni Abtreibungen bis zum dritten Monat für legal erklärt. Jetzt aber wandert der Rechtsstreit weiter zum Höchstgericht des kleinen ländlichen Bundesstaates im Südosten der USA. Fortsetzung also garantiert.
Für ungültig erklärt
Kentucky ist kein Einzelfall. In Dutzenden US-Bundesstaaten tobt derzeit der juristische Krieg um die Abtreibung. Auslöser war das Urteil des US-Höchstgerichtes in Washington, das im Juni das historische Urteil im Fall „Roe gegen Vade“ aus dem Jahr 1973 für ungültig erklärt hatte. Dieser Entscheid aber war die Grundlage für die US-weite Regelung der Abtreibung gewesen. Bis zum dritten Monat galt diese als Grundrecht von Frauen und war damit legal: Eine Entscheidung, über die sich kein US-Bundesstaat hinwegsetzen konnte.
Volksabstimmung
Seither ist die gesetzliche Regelung der Abtreibung wieder den einzelnen Bundesstaaten überlassen. Das hat ein kaum überblickbares Wirrwarr von juristischen Kleinkriegen ausgelöst, deren Ausgang in vielen Fällen nicht einmal absehbar ist.
Absolutes Verbot
So fand in Kansas am Dienstag eine Volksabstimmung statt. Der kleine, dünn besiedelte Agrarstaat war einer der wenigen im konservativen US-Mittelwesten, in denen Schwangerschaftsabbrüche weiterhin legal waren. Mit Bundesstaaten wie Oklahoma und Texas in der Nachbarschaft, in denen diese strikt verboten sind, galt Kansas als „Zufluchtsort“ für Frauen, die eine Abtreibung durchführen wollten. Gibt es allerdings ein „Ja“ bei der Volksabstimmung, ist es damit fürs erste vorbei. Dann sind Schwangerschaftsabbrüche auch in Kansas streng verboten.
Medikamente per Post
Damit nicht genug. Denn konservative Bundesstaaten haben nicht nur das Verbot auf ihrem Territorium durchgesetzt, sie wollen auch mit allen Mitteln verhindern, dass ihre Bürger entweder in andere Bundesstaaten reisen, um Abtreibungen dort durchführen zu lassen, oder sich Medikamente für eine Abtreibung aus diesen Bundesstaaten per Post schicken lassen.
Hilfe verboten
Einen Bürger strafrechtlich zu verfolgen, weil er in einen anderen US-Bundesstaat reist, wäre ein Bruch der US-Verfassung. Trotzdem versuchen konservative Richter in Texas, zumindest alle vor Gericht zu bringen, die den Reisewilligen auf irgendeine Weise helfen, oder auch nur eine Bestellung per Post entgegennehmen. Dagegen kämpfen wiederum Abtreibungsbefürworter, denen es kurzfristig gelungen ist, diese wieder zu legalisieren.
Es ist ein völlig unübersichtlicher Rechtskrieg an vielen Fronten, wie Juristen feststellen. „Was wir derzeit haben, ist eine Gesetzeslandschaft voller Verwirrung, Chaos und Unsicherheit“, stellt eine Expertin gegenüber der Washington Post fest: „Patienten haben keine Ahnung, was ihre Rechte sind. Dieses Klima aus Angst und Verwirrung wirkt genauso wie ein totales Abtreibungsverbot.“
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