Van der Bellen in Auschwitz: "Ich empfinde auch Scham"
Das Vernichtungslager Auschwitz in Polen steht wie kein anderer Ort für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Von 1940 bis 1945 wurden dort 1,1 Millionen Menschen ermordet, vor allem Juden.
Die Konzentrationslager waren die Stätten, an denen Nazi-Deutschland die systematische Ermordung von Juden betrieb. Auch politische Gegner, Roma und Sinti, Homosexuelle und behinderte Menschen wurden dort misshandelt und getötet.Im Juni 1940 wurde das "Stammlager" Auschwitz eingerichtet, im September 1941 begann Nazi-Deutschland dort mit ersten Vergasungsversuchen.
In das nationalsozialistische Lager Auschwitz-Birkenau wurden bis 1945 schließlich mindestens 1,3 Millionen Menschen deportiert. 1,1 Millionen wurden ermordet, davon 90 Prozent Juden. Insgesamt töteten Hitler-Deutschland und seine Helfer im Holocaust rund sechs Millionen Juden.
Van der Bellen in Polen
Am heutigen Montag jährt sich die Befreiung von Auschwitz-Birkenau durch Russlands Rote Armee zum 75. Mal. Bundespräsident Alexander Van der Bellen reiste daher nach Polen, wo er am Nachmittag an der internationalen Gedenkveranstaltung teilnimmt. Für die Zeremonie kündigten sich Vertreter aus etwa 50 Staaten an, darunter Israels Staatschef Reuven Rivlin. Rund 120 Auschwitz-Überlebende nehmen ebenfalls daran teil.
Van der Bellen sagte in einer Stellungnahme vor der Zeremonie: "Auschwitz zu besuchen ist nicht leicht. Aber es ist notwendig." Wie schon vor wenigen Tagen in Israel verwies er auf die Mitverantwortung Österreichs am Holocaust.
"Auschwitz zu besuchen ist nicht leicht. Aber es ist notwendig."
Er empfinde "tiefes Entsetzen" darüber, was im KZ Auschwitz den Menschen angetan wurde. Von den in Auschwitz ermordeten Menschen seien die meisten Jüdinnen und Juden gewesen, so der Bundespräsident und betonte weiter: "Auschwitz steht auch für den Völkermord an den Roma und Sinti, für die Ermordung von Homosexuellen, von Menschen mit Behinderungen, politisch Verfolgten, Widerstandskämpfern, Deserteuren, Vertretern der polnischen Intelligenz, von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion und unzähligen Menschen aus ganz Europa." Opfer der "nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie" seien auch Zehntausende Menschen aus Österreich gewesen.
"Antisemitismus nicht vom Himmel gefallen"
Gleichzeitig, so Van der Bellen, "empfinde ich Scham". Viele Österreicherinnen und Österreicher hätten bei dem "barbarischen Verbrechen" als Täterinnen und Täter "mitgewirkt". "Allzu viele Landsleute liefen mit, schauten weg, zu wenige leisteten Widerstand", kritisierte der Bundespräsident. Er erinnerte: Der "Antisemitismus und Rassismus der Nationalsozialisten ist nicht vom Himmel gefallen", sondern sei "schon zuvor in der österreichischen Gesellschaft sehr stark präsent" gewesen.
Es sei "unser gemeinsamer fester Wille und unsere Pflicht", jedem Aufkeimen von Menschenverachtung, Rassismus und Antisemitismus in der Gegenwart, jeder Herabwürdigung und jedem Angriff auf Minderheiten entschieden entgegenzutreten sowie Grund- und Freiheitsrechte kompromisslos zu verteidigen.
Neben Van der Bellen unter anderem auf der Gästeliste: der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der spanische König Felipe VI., US-Finanzminister Steven Mnuchin, Frankreichs Premierminister Édouard Philippe und die Ehefrau von Prinz Charles, Herzogin Camilla.
Zwist zwischen Putin und Polen
Der russische Präsident Wladimir Putin bleibt dem Gedenkakt in Polen fern, er lässt sich von Botschafter Sergej Andrejew vertreten. Hintergrund ist ein Streit zwischen Warschau und Moskau über die richtige Deutung der historischen Geschehnisse.Wer begleitet Van der Bellen bei seinem Polen-Besuch? Seine Frau Doris Schmidauer, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, und EU-Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sowie der Auschwitz-Überlebende Viktor Klein. Es ist der erste Besuch des Bundespräsidenten in Auschwitz.
Peinlicher Streit im Vorfeld zu Holocaust-Gedenkfeier
Österreichs Mitschuld
Beim internationalen Holocaust-Gedenken in Israel hatte Van der Bellen bereits daran erinnert, dass Österreich "Mitverantwortung an der Shoah" trage. "Dem Andenken der Opfer der Shoah werden wir nur gerecht, wenn wir dafür sorgen, dass Menschenverachtung, Sündenbockdenken und Gewalt niemals wieder als politisches Instrument eingesetzt werden", hatte Van der Bellen gemahnt.
Anlässlich des heutigen internationalen Tages des Gedenkens an die Holocaust-Opfer hat sich auch die österreichische Regierungsspitze an einer Kampagne in den sozialen Netzwerken beteiligt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) posteten Fotos, auf denen sie Schilder mit der Aufschrift #WeRemember (Wir erinnern uns) hochhielten. Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian machte mit.
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