Zur Veranschaulichung: Das mit Abstand größte Kohlekraftwerk in der EU, im polnischen Belchatow, stößt 1,1 Tonnen giftiges Schwefeldioxid pro Gigawattstunde (GWh)aus. Im bosnischen Ugljevik, wo rund 1.600 Menschen arbeiten, ist es die fast 50-fache Menge.
Mehr als in Polen
Ähnlich katastrophale Messungen gibt es in Serbien. Dort stößt ein einziges Kohlekraftwerk – die Nikola-Tesla-Anlage in Obrenovac – mehr Schwefeldioxid aus
als alle Kohlekraftwerke in Polen zusammengenommen.
Die unabhängige Forschungsorganisation „Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA)“ hat die Verschmutzungsdaten von Kohlekraftwerken aus ganz Europa zusammengetragen – und kam dabei zu einem fatalen Ergebnis: Die 18 kohlebefeuerten Kraftwerke in Serbien, Bosnien, Nordmazedonien, Montenegro und Kosovo stoßen zweieinhalb mal so viel giftiges Schwefeldioxid aus als alle 221 Anlagen in der EU gemeinsam.
Rauchgasentschwefelungsanlagen gibt es nicht. Das giftige Gas gelangt ungehindert in die Luft – und fordert seine Opfer.
Laut CREA-Studie dürften allein in den vergangenen drei Jahren die Emissionen der Balkan-Kohlekraftwerke für 19.000 Tote verantwortlich sein. Bei den Werten mit der schlechtesten Luftqualität in ganz Europa konkurrieren immer die Balkanstädte Tuzla, Zenica, Sarajewo (alle Bosnien), Tetovo (Nordmazedonien) und Pristina miteinander.
Schlechte Luft in Sarajewo
Besonders schlimm ist die Lage immer in den Wintermonaten: Dann etwa werden in Sarajevo nicht selten Feinstaubwerte gemessen, die den EU-Tagesgrenzwert um das Zehnfache überschreiten.
Während die EU den Kohleausstieg anpeilt, ist auf dem Balkan davon so bald nicht die Rede. Zwar sollen auch die Staaten des Westbalkans die Energiewende
in der Region vorantreiben – doch bisher ist davon noch nichts zu spüren. Bosnien etwa produziert rund 60 Prozent seines Stroms mit Kohle.
Chinesische Millionen
Geld und Investitionen dafür kamen zuletzt nahezu ausschließlich aus China. Für den Ausbau des Blocks 7 im Wärmekraftwerk Tuzla etwa stellte die chinesische Eximbank einen Kredit von über 600 Millionen Euro zur Verfügung. Dagegen allerdings zog die Europäische Energiegemeinschaft (ECS), der die Balkanstaaten angehören, die Notbremse: Sie sah darin eine unerlaubte staatliche Subvention und eröffnete ein Streitbeilegungsverfahren. Daraufhin zog sich der amerikanische Co-Investor zurück. Block 7 des ohnehin hoch-verschmutzenden Kraftwerkes in Tuzla dürfte damit vorerst nicht gebaut werden.
Kosovo stößt mehr aus als Italien
Gestorben ist auch ein Projekt für ein neues Kohlekraftwerk im Kosovo. Premier Albin Kurti hat sich kategorisch gegen das Riesenprojekt nahe der Hauptstadt Pristina ausgesprochen. Es hätte die Hälfte des Energiebedarfes decken sollen. Das kleine Kosovo stößt mit seinen Kohlekraftwerken schon jetzt mehr Schwefeldioxid aus als etwa Italien.
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