Was der Balkan bezüglich China vom Baltikum lernen kann
Zwischen Balkan und Baltikum gibt es zahlreiche Unterschiede, aber auch viele Gemeinsamkeiten. Beide Regionen Europas waren in der Vergangenheit Teile unterschiedlicher Imperien, erlebten grausame Kriege und waren Schauplätze der Auseinandersetzungen zwischen den Supermächten.
China als globaler Newcomer zeigte besonderes Interesse an den beiden Regionen. 2012 gelang es Peking, 17 europäische Staaten in einem sino-europäischen 17+1-Gipfel zu vereinen. Jährlich trafen sich die betreffenden europäischen Regierungschefs mit ihrem chinesischen Kollegen – und sahen dies als eine Chance, die sie nicht verpassen dürfen. Der vor Kurzem stattgefundene Gipfel verlief anders. Beim virtuellen Treffen mit 17 europäischen Ländern nahm zum ersten Mal der chinesische Staatspräsident Xi Jinping teil, während bei den vorherigen acht Gipfeltreffen der Präsident kein Interesse zeigte, dabei zu sein. Dieses Mal nutzte er die Gelegenheit, eine der weltweit meistgesuchten Waren anzubieten: Impfstoff.
Skepsis im Baltikum
Jedoch wurde die verlängerte Hand Pekings mit Skepsis von den baltischen Staaten betrachtet, nicht aber von den Ländern des Balkans, zumindest nicht von allen.
Zahlreiche Staats- und Regierungschefs vom Balkan waren zur Stelle bzw. virtuell anwesend. Die drei baltischen Staaten sowie Bulgarien, Rumänien und Slowenien jedoch zeigten keinen besonderen Enthusiasmus, Bruder Xi zu treffen, sodass sie sich durch eine niederere Ebene vertreten ließen. Darüber hinaus kam ein mutiger Vorschlag aus Tallinn: „Wir würden ein Treffen im Format EU-27+1 vorziehen, auf dem wir über die Beziehungen zwischen der EU und China reden könnten.“
Chinaversteher am Balkan
Ein anderes Bild zeigten einige Länder des Balkans, wie Serbien und Ungarn, die als China-Versteher in Europa gelten. Für diese Treue erhielten sie von Peking als einzige europäische Staaten den chinesischen Impfstoff.
Die Pandemie ist für Peking ein nützliches Mittel geworden, seine globale Macht (durch Masken- und Impfdiplomatie) auszuweiten.
Chinas diplomatische Offensive hat den Punkt erreicht, an dem der Präsident Serbiens nicht zögert, die chinesische Flagge zu küssen.
Oder der türkische Präsident das brutale Vorgehen Pekings gegen muslimische Uiguren zu glorifizieren versucht und die arabischen Länder dazu schweigen – kontrolliert von chinesischem Kapital.
Die baltische Erfahrung als eine Erfolgstory nach der Wende kann eine nützliche und vielfältige Lehre für den Westbalkan sein, da dort die Demokratisierung, NATO-isierung und EU-isierung seit Jahren Fuß gefasst haben.
Wichtige Entscheidungen
In diesem Sinne steht der Westbalkan vor wichtigen Entscheidungen, nicht nur zwischen der nördlichen Skandinavisierung, östlichen Baltisierung und eigenen Balkanisierung, sondern auch zwischen der Europäisierung und China- bzw. Sinoisierung.
Eine entscheidende Zukunfts- und Perspektivenfrage.
Faruk Ajeti ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) in Wien.
Kommentare