10 Jahre Gefängnis für Sanader
Kroatiens größtes Gefängnis, die Haftanstalt Remetinec nahe Zagreb, hat seit Dienstag Mittag einen neuen Insassen: Ivo Sanader. Der Ex-Regierungschef, lange eng mit österreichischen Politikern – vor allem in der ÖVP und der früheren FPÖ – befreundet, wurde vom Landesgericht Zagreb in zwei Fällen für schuldig befunden – darunter für die Annahme einer illegalen Provision für einen Kredit der Hypo Alpe Adria. Der Richter verhängte in erster Instanz zehn Jahre Haft und eine Strafzahlung von 3,5 Millionen Euro.
Von all den Verfehlungen des Premiers wollen seine österreichischen Freunde nichts gewusst haben. Ex-EU-Kommissar Franz Fischler, der Sanaders Regierung jahrelang beraten hat, steht gegenüber dem KURIER nicht an zu sagen, „dass Ivo Sanader sein Land auf den Weg nach Europa gebracht und große Verdienste erworben hat. Ich habe ein sehr gutes, freundschaftliches Verhältnis zu ihm. Aber ich hätte nicht im Entferntesten gedacht, dass es zu solchen Problemen kommen könnte.“
Auch Ex-Vizekanzler und Westbalkan-Experte Erhard Busek hatte in Sanader „jahrelang einen verlässlichen Partner mit Handschlagqualität. Mir hat nie jemand von den Vorwürfen erzählt.“
Hypo Alpe Adria
Mitte der 90er-Jahre hatte Kroatiens Außenministerium bei der Kärntner Bank einen Kredit von damals 140 Mio. Schilling aufgenommen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Sanader als Vize-Außenminister fünf Prozent der Summe illegal als Provision eingesteckt hat. Er hatte dies stets vehement bestritten, auch in der zweiten Anklage sieht er sich unschuldig. Auf den 59-Jährigen warten noch drei weitere Korruptionsverfahren. Die Antikorruptionsbehörde beziffert den Gesamtschaden mit 200 Mio. Euro. Ein in Kroatien tätiger österreichischer Geschäftsmann, der anonym bleiben will, erwartet weitere Klagen. Liefen doch beim Ex-Chef der Regierungspartei HDZ alle Fäden zusammen: Umstrittene Privatisierungsprojekte, unsaubere Grundstücksdeals, dubiose Vorgänge um die Agentur Finimedia, die Millionen für illegale Parteien¬finanzierung umgeleitet haben soll, können, so der Insider, nicht ohne Sanaders Wissen abgelaufen sein.
Wütende Dementis
Oder wie es der Richter formulierte: „Sie, Herr Sanader, waren Architekt eines Systems, in dem nur Entscheidungen getroffen wurden, die sie wollten.“ Im Juli 2009 war Sanader völlig überraschend zurückgetreten. Korruptionsgerüchte machten sofort die Runde, was der studierte Germanist stets wütend dementierte.
Die Verurteilung Ivo Sanaders ist ein Signal, dass die Ära der ungehemmten Korruption in Kroatien vorüber ist. Eine schlüssige Erklärung, warum der frühere kroatische Premier auf dem Höhepunkt seiner Amtszeit zurückgetreten ist, blieb Ivo Sanader bis heute schuldig. Massive Korruptionsgerüchte waren schon damals aufgetaucht. Sie wären vielleicht solche geblieben, hätte Sanader später nicht versucht, sich zurück an die Macht zu zwingen. Doch dort wollte ihn selbst seine eigene Partei nicht mehr haben, Sanader scheiterte an Selbstüberschätzung und der Annahme, niemand könne ihn gefährden.
Das Kroatien von heute, nächstes Jahr ein Staat in der EU, hat einen riesigen Schritt getan. Mit dem Urteil gegen seinen bis vor Kurzem noch mächtigsten Bürger hat Kroatien bewiesen, dass niemand mehr über dem Gesetz stehen darf.
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