Wie Europa gegen Corona kämpft: Sperrstunden, Maske im Freien, Teil-Lockdowns
"Es reicht einfach nicht, was wir hier machen.“ Die Grundstimmung sei, dass sich jedes Land ein kleines Schlupfloch suche. So wurde die deutsche Kanzlerin Angela Merkel aus der Runde mit den 16 Chefinnen und Chefs der Bundesländer zitiert. Bis spät in den Dienstagabend hinein versuchten sie sich auf einheitliche Regeln zur Eindämmung des Virus zu einigen.
Seit in Deutschland die Zahlen an Neuerkrankungen gestiegen sind – das Robert-Koch-Institut meldete am Donnerstag mit 6.638 so viele Neuinfektionen an einem Tag wie noch nie seit Ausbruch der Pandemie – drängt der Bund auf Maßnahmen. Diese sind im föderalistischen Deutschland Ländersache – mit dem Vorteil, dass sie nach ihren Infektionszahlen angepasst, handeln. Gleichzeitig führt es zu Chaos – wo gilt jetzt was? Wie etwa in der Debatte um Beherbergungsverbote für Menschen aus Risikogebieten wie Berlin. Nach der Klage eines Gastes wird es in Baden-Württemberg nun gekippt. In Sachsen wiederum schafft es der CDU-Ministerpräsident selbst ab.
Angst vor Wirtschaftskollaps
Was hingegen künftig einheitlich sein soll – zumindest in Hotspots: Ausweitung der Maskenpflicht ab 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner pro Woche; eine Begrenzung der Gästezahl bei privaten Feiern auf max. zehn Personen, Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum und eine Sperrstunde für die Gastronomie ab 23 Uhr. Sollte sich die Infektionslage in den nächsten zehn bis zwölf Tagen nicht bessern, könnte es Verschärfungen geben.
Der Grund warum der Bund aufs Tempo drückt: Man will einen Lockdown vermeiden und damit einen wirtschaftlichen Kollaps.
Zahlen in Belgien explodieren
Im zentralistisch regierten Frankreich kündigte Präsident Emmanuel Macron nächtliche Ausgangssperren für die Metropolregion Paris und acht weitere Städte an. Man habe „nicht die Kontrolle über die Situation verloren“, so Macron, doch man müsse eine weitere Ausbreitung eindämmen – das Gesundheitssystem komme an seine Grenzen.
Nächtliche Ausgangssperren wie im benachbarten Frankreich, ein „semi-lockdown“ in den Niederlanden – und in Belgien selbst, so fürchten man hier, könnten ähnlich rigorose Maßnahmen kommen: Die Infektionszahlen explodieren – 8.271 neue Corona-Infizierte wurden in den vergangenen 24 Stunden gemeldet, bei 11,5 Mio. Einwohnern. Im Schnitt sind 12 Prozent aller Getesteten positiv – pro Tag sterben wieder 20 Belgier an den Folgen einer Covid-19-Ansteckung.
Treffen mit nur einer Person
Dabei ziehen die Regierungen in Brüssel sowie jene Flanderns und der Wallonie schon seit Wochen die Zügel immer straffer: Mundschutz muss fast überall auch draußen getragen werden, in Restaurants dürfen nur vier Personen an einen Tisch, Kaffeehäuser sind in Brüssel seit einer Woche geschlossen. Nun drohen die Schließung von Restaurants und das Verbot mehr als nur eine Person außerhalb des eigenen Haushalts zu treffen. Sprich: fast ein völliges Kontaktverbot. Heute sollen die neuen Maßnahmen verkündet werden – „das sind die letzten vor einem totalen Lockdown“, warnt die Zeitung De Standaard.
Die Zahl der Neuinfektionen lag in Spanien am Mittwoch zuletzt bei 11.970. Viele Gebiete und Gemeinden sind mittlerweile abgeriegelt. Die Regierung verhängte über Madrid für zwei Wochen den Notstand. Die Hauptstadt und Vororte dürfen nur mit triftigem Grund verlassen werden (Weg zur Arbeit, Arztbesuche, Einkäufe). Die Region Katalonien mit Barcelona hat die Schließung aller Bars und Restaurants angeordnet.
Italien, im Frühjahr Europas Corona-Hotspot, hat den bisherigen Maximalwert überschritten. Am Mittwoch bestätigte man 7.332 neue Corona-Fälle. Vor knapp einer Woche führte man eine Maskenpflicht im Freien ein. Für Lokale ist eine Sperrstunde ab Mitternacht angedacht. Nach 21 Uhr dürfen keine Gäste mehr vor Lokalen stehen. Rom überlegt zudem, auf lokaler Basis beschränkte Lockdowns einzuführen, wo die Zahlen besonders hoch sind, etwa in Kampanien.
Genau das hat nun die Regierung in Slowenien beschlossen. Ab Freitag werden sieben von zwölf Regionen mit den höchsten Infektionszahlen unter Quarantäne gestellt, Bewohner dürfen sie unter Ausnahmen verlassen. In den Risikoregionen wird ein Versammlungsverbot gelten, Bars und Restaurants werden geschlossen, Maskenpflicht wird es ebenfalls im Freien geben.
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