Hört man sich weiter um, wird klar: die Frau spricht vielen Wienern aus dem innerstädtischen Bereich aus der Seele. Doch ist Wien wirklich so voll wie noch nie?
Laut Norbert Kettner, Chef von Wien Tourismus, müsse man die Lage differenziert betrachten: Ja, in der Innenstadt sei dieser Tage viel los. „Ich habe Verständnis dafür, dass manchen die City dieser Tage zu voll ist.“ Er selbst wohne an der Grenze zur Innenstadt, daher wisse er aus Erfahrung, dass es „ein paar Druckpunkte gibt“, wo es zuweilen eng werde: etwa an der Kreuzung Graben und Kärntner Straße.
„Nichts Neues“
Das sei aber nichts Neues, betont Anrainer Murat, der seit elf Jahren in bester Wiener Lage wohnt: „Das war in den vergangenen Jahren und vor Corona nicht anders. Ja, am Samstag brauchst’ hier nicht vor die Tür gehen. Aber ab Jänner ist eh wieder tote Hose.“ Lästig sei nur, wenn die Touristen Eingangsbereiche verstellen, und Aufforderungen, Platz zu machen, aufgrund der Sprachbarriere nicht nachkommen.
Doch woher kommen die Touristen? Die jüngsten Auswertungen diesbezüglich stammen aus dem Oktober: Demnach stammen die meisten aus Deutschland, gefolgt von Österreich, den USA, Italien, Großbritannien, Spanien und Frankreich. Tagestouristen, die mit dem Bus anreisen, stammen oft aus Zentral- und Osteuropa.
Bitter: Selbst den Touristen wird es teils zu viel. Steffi und Kevin, ein junges Paar aus Deutschland, das schon öfter auf Österreichurlaub war, „hat hier noch nie so einen Trubel erlebt“. Geht es nach den beiden, so ist die Grenze zum „Overtourism“ erreicht. „Wir wollten ins Sisi-Museum, aber keine Chance“, zeigt sich die 22-Jährige enttäuscht. „Wir können uns aber nicht beschweren, schließlich sind wir ja auch da“, ergänzt ihr Freund, während ein Fremdenführer eine Reisegruppe vorbeilotst.
Der Andrang hat aber auch Vorteile. Gerade in der derzeitigen wirtschaftliche Lage profitiere die Stadt vom Tourismus, betont Kettner. Laut einer Hochrechnung des Kreditschutzverbands (KSV) ist 2024 quer durch alle Branchen mit rund 6.550 Insolvenzen zu rechnen. „Wir befinden uns in der größten Wirtschaftskrise der Zweiten Republik“, betont der Tourismus-Direktor. Hier helfe der Tourismus, Arbeitsplätze in der Gastronomie und im Handel zu sichern.
Gutes Weihnachtsgeschäft
Tatsächlich gab es zuletzt bezüglich des Weihnachtsgeschäfts gute Nachrichten: Der dritte Weihnachtseinkaufssamstag sei „sogar noch einen Tick besser gelaufen als der zweite“, ließ der Handelsverband am Wochenende verlautbaren. Heuer rechne man im Weihnachtsgeschäft mit einem Umsatz von 7,5 Milliarden Euro. Es läuft etwas besser als im Vorjahr mit 7,34 Milliarden.
Die Standler können sich ebenfalls nicht beschweren. Trixi, die am Stephansplatz Edelbrände aus dem Marchfeld verkauft, freut sich über die vielen Stammkunden, die kommen – und das, obwohl es vor dem Dom teils kein Durchkommen mehr gibt. Das störe aber nicht, denn die vielen Besucher würden sich verteilen, außerdem seien sie sehr respektvoll. Auch in Sachen Kriminalität und Bettelei sei es heuer besser.
„Die Stadt ist bekannt für ihre wunderschöne Weihnachtsstimmung“, stimmt Kettner zu. Internationale Rankings, in denen Wien Top-Plätze erreicht, würden eine Rolle spielen; ebenso populäre Influencer. Letztere findet man vor allem am Rathausplatz, wo vor Herzerlbaum und Co. fleißig posiert und fotografiert wird.
Generell sei seit der Pandemie die Lust am Reisen gestiegen. „Außerdem ist seither für viele Gäste Shopping im Luxusbereich immer wichtiger“, erklärt der Tourismus-Direktor. Und auch dies geschehe vorwiegend im ersten Bezirk.
Wie man die Situation künftig wieder verbessern könnte? „Wichtig wäre eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt“, erwidert Kettner. „Das würde entlasten und im wahrsten Sinn durchlüften. Die Stadt hatte das schon ein Konzept, aber das Klimaschutzministerium sagte dazu leider nein.“ Und er betont: „Wir sind nicht naiv. Wien soll zwar kein Dorfplatz sein – darf aber auch nicht zum Rummelplatz werden.“
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