Einige Wochen später, am sonnigen Morgen des 6. August blickte Tsutomu Yamaguchi in Hiroshima in den Himmel, als er in großer Ferne ein Flugzeug hörte. Dann brach das Inferno los. Ein gleißend heller Blitz versengte den Horizont, eine gewaltige Druckwelle schleuderte den jungen Mann zu Boden, eine riesige Feuerwalze fraß sich vorwärts.
Als Yamaguchi aus seiner Ohnmacht erwachte, regnete es brennende Papier- und Kleiderfetzen auf ihn nieder. Er war drei Kilometer von der Explosion entfernt.
90 Prozent aller Menschen, die sich in einem Radius von 500 Metern von Ground Zero befunden hatten, waren sofort tot. In mehreren tausend Grad Hitze waren sie einfach verglüht, als Schatten in Steine und Hauswände gebrannt. Wer überlebte, auf dessen Haut hatten sich meist Kleidermuster eingebrannt.
70.000 Menschenleben forderte die Uran-Bombe „Little Boy“ sofort. In den folgenden Monaten starben noch Zehntausende an Verstrahlungen.
Mit schweren Verbrennungen im Gesicht und am Oberkörper schleppte sich Tsutomu Yamaguchi vorwärts. Er wollte nur nach Hause, zu seiner Familie in Nagasaki. Meter um Meter, nichts als Zerstörung, Trümer, Feuer, Rauch und Leichen. Alle Brücken waren weg. Um den Fluss zu überqueren, musste der junge Mann die darauf treibenden, verkohlten Körper von Männern, Frauen und Kindern „wie Holzstämme“ wegstoßen um vorwärtszukommen, wie er noch viele Jahre danach unter Tränen schilderte.
Die zweite Bombe - "Fat Man"
Drei Tage nach dem Inferno von Hiroshima meldete sich der Verwundete bei seinem Arbeitgeber in Nagasaki. Sein Chef mochte den Schilderungen nicht glauben: Wie sollte eine einzige Bombe eine Stadt wie Hiroshima mit rund einer Viertelmillion Einwohner zerstören?
Und noch während Yamaguchi erzählte, geschah es wieder: Der todbringende Blitz, die Detonation, die Feuerwand, eine gewaltige Wolke, die sich bis zu 15 Kilometer hoch zu einem Riesenpilz auswuchs.
Anders als in Hiroshima, wo die USA eine Uranbombe auf die Stadt niedergehen ließen, brachten sie in Nagasaki eine Plutoniumbombe zur Explosion. 70.000 Menschen starben binnen Sekunden.
„Fat Man“ hatte eine Sprengkraft von 21.000 Tonnen TNT: „Zum Vergleich: Ein Kilo TNT reicht leicht aus, um ein Flugzeug auseinanderzureißen“ schildert Georg Steinhauser, österreichischer Professor für Radio-Ökologie an der Leibniz Universität Hannover dem KURIER .
Die politische und militärische Führung in Washington triumphierte: Der geschlagene japanische Kriegsgegner kapitulierte nach wenigen Tagen. Dass Japan erst durch die Atombomben in die Knie gezwungen wurde, weisen Historiker heute geschlossen zurück. Japan sei längst besiegt gewesen, die Bomben seien von den USA eher zu militärischen Testzwecken eingesetzt worden – und die hunderttausenden Toten Opfer eines Kriegsverbrechens.
Eine Entschuldigung haben die USA bis heute nicht ausgesprochen. Selbst Barack Obama, der als erster US-Präsident vor vier Jahren Hiroshima besuchte, gedachte dort zwar der Opfer. Bedauern über den Einsatz der Atombomben war aber auch von ihm nicht zu hören.
Tsutomu Yamaguchi war einer von rund 170 Japanern, die beide Atombombenabwürfe überlebt haben. Nach dem Angriff auf Nagasaki rang er wochenlang mit dem Tod. Zeit seines Lebens kämpfte er dann vor allem um eines: Um das Verschwinden aller Atomwaffen.
Vergeblich. Auch wenn das todbringende nukleare Waffenarsenal heute nur noch ein Fünftel dessen beträgt, das es zum Höhepunkt des Kalten Krieges hatte, reichen die rund 3.000 jederzeit einsetzbaren Atomsprengköpfe leicht aus, um die Erde vollständig zu vernichten.
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