Einigung bei Asylgipfel: Serbien schließt die Visa-Lücke
Auf den ersten Blick schien die Konstellation irgendwie sonderbar: Bundeskanzler Karl Nehammer traf am Montag in Budapest bei einem Gipfeltreffen mit Ungarns Hardliner-Premier Viktor Orbán und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić zusammen. Sonderbar deshalb, weil Orbán zahlreiche Probleme mit der EU hat, und einige davon sind so schwerwiegend, dass sie bereits beim Europäischen Gerichtshof gelandet sind.
Budapester Gipfel
Aber bei dem Mini-Gipfel der drei Staats- und Regierungschefs ging es nicht um die Streit-Themen mit Brüssel, sondern vor allem um ein Thema: die Flüchtlinge.
Seit Jahresbeginn steigt die Zahl der Asylansuchen rasant an, vor allem in Österreich. Doch die Menschen kommen nicht aus „klassischen“ Flüchtlingsländern, sondern aus Indien, Tunesien, Pakistan und Marokko.
Deren Staatsangehörige können nämlich – ohne um ein Visum ansuchen zu müssen – direkt nach Serbien einreisen; und dort vertrauten sie sich mitunter dann Schleppern an, die die Menschen über Ungarn nach Österreich bringen.
Serbiens lockere Visa-Politik hat einen einfachen Hintergrund: Staaten, die den Kosovo, Serbiens südlichen Nachbarn, nicht anerkennen, wurden und werden mit Visa-Freiheit belohnt.
Serbien kommt Bitte nach
Und genau das war Nehammers prioritäres Ziel: Ein Einlenken von Präsident Vučić, die Visafreiheit für diese Staaten wieder aufzuheben. Und das sagte dieser auch zu: „Ich hoffe, dass meine Kollegen Nehammer und Orbán das auch (EU-Kommissionspräsidentin Ursula) von der Leyen weiterleiten werden. Serbien wird sich bis Ende des Jahres an die Visa-Politik der EU anpassen. Serbien sollte nicht ausgenützt werden von jenen, die nicht wegen beruflichen Angelegenheiten kommen, sondern für illegale Migration Richtung Westen.“
Er präzisierte zwar nicht, wann das der Fall sein wird und welche Länder das betreffe. Aus Diplomatenkreisen war aber zu hören, dass das bis Ende des Jahres in Aussicht gestellt wird und jedenfalls für die asiatischen Riesenstaaten gelte.
„Wir leiden“
„Wir leiden an der illegalen Migration“, erklärte der ungarische Premier bei der gemeinsamen Pressekonferenz nach dem Treffen.
Er lobte seine Grenzbeamten an der serbisch-ungarischen Grenze für ihren „heroischen Einsatz gegen Schlepper“, doch der Migrationsdruck steige immer weiter. Österreichs Kanzler pflichtete ihm bei: „Das Asylwesen der Europäischen Union ist gescheitert“, rief Nehammer deutlich Richtung Brüssel. „Und die Folgen müssen die Mitgliedsstaaten tragen. Viele Migranten, die sich auf den Weg nach Europa und Österreich machen, haben keine Chance auf Asyl, da sie aus sicheren Herkunftsstaaten kommen. Das führt zu einer gefährlichen Vermischung von Asyl und Migration und geht komplett am Ziel einer geordneten Asyl- und Migrationspolitik vorbei“, so Nehammer. Und: „Solange die EU nicht mit effizienten Maßnahmen eingreift, müssen wir uns selbst helfen.“
Obwohl Österreich kein Asylaußengrenzland sei, wäre das Land massiv von illegaler Migration betroffen, führte Nehammer aus: „Darüber hinaus haben wir bereits mehr als 80.000 vorwiegend Frauen und Kinder, die aus der Ukraine vertrieben wurden, aufgenommen. Für Österreich ist der Kampf gegen illegale Migration eine wesentliche Sicherheitsfrage und eine Frage der sozialen Stabilität der Gesellschaft.“
Ende der Visa-Freiheit
Neben der Frage der Visa-Freiheit sind auch Kooperationen zwischen Österreich, Ungarn und Serbien verhandelt worden: So soll es eine intensivere polizeiliche Zusammenarbeit dieser Staaten beim Grenzschutz geben. Dabei gilt die serbisch-ungarische Grenze ohnehin als gut gesichert: Derzeit steht ein 175 Kilometer langer Grenzzaun zwischen den Staaten, vier Meter hoch und gut bewacht.
Jetzt soll er verbessert werden, elf Kilometer mehr Grenzzaun planen die Ungarn – und die Zäune sollen von vier auf fünf Meter erhöht werden. Österreich hilft zudem mit Know-how und Technik, etwa mit Drohnen und Wärmebildkameras. Bis Ende des Jahres soll der Zaun ausgebaut sein, bis Ende 2023 das verbesserte Überwachungssystem implementiert sein. Und Österreich wird Serbien unterstützen, auch Rückführungen aus Serbien in Herkunftsländer zu organisieren.
Die Österreicher wollen – gemeinsam mit den Tschechen – außerdem Grenzpolizisten nach Ungarn schicken. Unterm Strich war es für Nehammer jedenfalls ein „erfreuliches Ergebnis“.
Orbán hatte Nehammer erst im Juli besucht, schon damals waren die steigenden Flüchtlingszahlen aus Staaten, die fast keine Chance auf Asyl oder Bleiberecht haben, zentrales Thema. Vereinbart wurde eine baldige Migrationskonferenz, gemeinsam mit Serbien, die nun schneller als gedacht stattfand. Auch wenn es nur ein erstes Treffen war – die drei Spitzenpolitiker kündigten weitere trilaterale Folgetreffen an.
Neben Gesprächen auf Beamtenebene soll es in den nächsten Tagen eine Zusammenkunft von Fachministern in Belgrad und später ein Treffen in Wien geben.
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