Seit einigen Wochen sind auf dem Hauptbahnhof und auf dem Bahnhof Meidling wieder mehr Geflüchtete zu bemerken. Am Hauptbahnhof halten sie sich meist, wie die eingangs erwähnte Gruppe Afghanen, gegenüber des Ticketschalters auf. In Meidling sitzen sie – meistens zwischen 18 und 20 Uhr abends – in der Ankunftshalle, manchmal 30 Personen, manchmal 50 Personen.
Die ÖBB bemerken diesen Anstieg seit Anfang September. Und abgesehen von den genannten Bahnhöfen in Wien sei auch jener in Innsbruck betroffen. In Wien, sagen die ÖBB, bringt die Polizei die Asylwerber von der Grenze in Nickelsdorf (Burgenland) mit Bussen zum Hauptbahnhof. Etwa viermal pro Tag. Allerdings kämen auch täglich Busse spätabends, gegen 21 Uhr. Weil dann eine Weiterreise für die Geflüchteten oft nicht mehr möglich ist, bleiben sie so lange, bis der Bahnhof zusperrt. Denn die ÖBB schließen den Bahnhof täglich zwischen 1.30 Uhr 4 Uhr – für Reinigungs- und Wartungsarbeiten. In dieser Zeit müssen die Geflüchteten anderswo unterkommen. „Bis zu 150 Personen pro Nacht wissen dann nicht, wohin sie sollen“, sagt Caritas-Sprecher Martin Gantner. Vorwurf an die ÖBB ist das keiner. „Die Bundesländer stellen zu wenig Quartiere zur Verfügung“, sagt Gantner. Wien übererfüllt die Quote.
In einem Facebook-Posting Mittwochabend übt Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) scharfe Kritik am Innenministerium. „Für diese nicht tragbare Situation verantwortlich ist das Innenministerium“, sagt Hacker. „Hier wird bewusst Obdachlosigkeit produziert oder zumindest in Kauf genommen.“
Auch für die ÖBB sei die Situation „alles andere als zufriedenstellend“, sagt der Sprecher. „Die ÖBB haben in der Vergangenheit, wie auch in der aktuellen Ukraine-Krise, oft bewiesen, dass sie Menschen in Not helfen und werden es weiter tun“, aber: „Die ÖBB als Eisenbahnunternehmen haben nicht die Kapazitäten, dauerhaft Aufgaben der Flüchtlingsbetreuung und -unterbringung zu übernehmen.“ Bund und Stadt seien gefordert, Lösungen zu finden.
Die Stadt freilich sieht das Innenministerium in der Pflicht. Von dem heißt es am Donnerstag, dass die Landespolizeidirektionen die Areale der größeren Bahnhöfe nun „verstärkt in den Nachtstunden“ bestreifen, um „ein klares Lagebild“ davon zu bekommen, „ob und wie viele Personen tatsächlich am Weg zur Erstbefragung mehrere Stunden zur Nachtzeit auf Bahnhöfen warten müssen.“
Die Geflüchteten würden auch nicht einfach ausgesetzt, sondern zwar am Bahnhof abgesetzt, allerdings mit Ticket für den Weg in ein Quartier und einem Infoblatt.
Mit den ÖBB und „weiteren Organisationen“, wie es heißt, würden nun außerdem Gespräche geführt, um Räumlichkeiten für einen „kurzfristigen Aufenthalt zur Nachtzeit als Wartezonen zur Verfügung zu haben“. Die ÖBB haben bereits (zu adaptierende) Liegenschaften angeboten.
Fakten
Weil es für Geflüchtete, die an der Grenze in Nickelsdorf von der Polizei registriert werden, im Burgenland keine Quartiere gibt, werden sie mit Bussen nach Wien gebracht. 25 Prozent aller Asylanträge, die im August in Österreich gestellt worden sind, betreffen Personen aus Indien. 24 Prozent betreffen Afghanen, danach folgen in der Statistik Syrer (13 Prozent) und Tunesier (11 Prozent)
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