Die Blutspur der Corona-Pandemie: Mord-Rekorde in den USA
Es ist ein trauriger Rekordwert, der alles Bisherige in den Schatten stellt: Zum ersten Mal seit mehr als 25 Jahren sind in den Vereinigten Staaten im Vorjahr weit über 20.000 Menschen ermordet worden; überwiegend mit Schusswaffen. Kriminologen sprechen von einem Bündel von Ursachen.
Dabei spielen der in der Corona-Pandemie enorm gewachsene mentale, soziale und wirtschaftliche Druck und die daraus resultierenden Spannungen in vielen Bevölkerungsschichten eine wichtige Rolle.
Junge schwarze Männer
Wie das FBI in seinem neuen Lagebericht schreibt, stieg die Rate für Morde und andere Tötungsdelikte 2020 um rund 30 Prozent auf rund 21.500 Fälle an. Das sind knapp 5.000 mehr als 2019. Fast die Hälfte der Opfer waren Afroamerikaner, das Gros darunter junge Männer.
Seit fast 60 Jahren hat es so einen Sprung in der Kriminalitätsstatistik nicht gegeben: Metropolen wie ländliche Gebiete, demokratisch wie republikanisch regierte Regionen sind gleichermaßen betroffen. Schwere gewalttätige Verbrechen legten insgesamt um 12 Prozent zu. Dagegen sank die Zahl von Eigentumsdelikten und Wohnungseinbrüchen deutlich.
Einsam an der Spitze
Die Daten stammen von rund 16.000 lokalen, regionalen und landesweiten Polizeibehörden, wobei viele Bundesstaaten unterbelichtet sind, weil sie ihre Fallzahlen nicht weitergeben. Auf 100.000 Einwohner kamen damit in den USA 2020 exakt 6,5 Tötungsdelikte. Europäische Länder wie Deutschland oder Österreich verzeichnen maximal ein Tötungsdelikt pro 100.000 Einwohner.
Streitigkeiten, Drogen
Weil die Zahlen auch 2021 weiter ansteigen, fürchten Kriminologen, dass sich die USA schrittweise wieder alten Höchstständen nähern könnten. Zum Vergleich: 1991 wurden 25.000 Menschen in Amerika ermordet. Shani Buggs, Kriminologin an der Universität von Kalifornien, weist darauf hin, dass rund 4.000 Morde aus Streitigkeiten hervorgegangen sind, 1.900 waren das Resultat von Raubüberfällen und Drogen-Verbrechen, 900 gingen auf das Konto von Gangs.
Kampagne gegen Biden
Eine Mischung aus Ärger, Wut und die grenzenlose Verfügbarkeit von Waffen sei mit ausschlaggebend für die neuen Horror-Zahlen, die gewiss bei den Zwischenwahlen im Kongress in rund einem Jahr eine Rolle spielen würden. „Die Republikaner werden Joe Biden für die Misere verantwortlich machen.“ Bürgerrechtsorganisationen erinnern an die zuletzt kaum beachtete Tatsache, dass 2020 die Zahl der Waffenkäufe um Millionen angestiegen ist – gegenüber 2019 um fast 40 Prozent. Im Laufe dieses Jahres setzte sich der Trend fort.
Frauen kaufen Waffen
Die hohe Zahl der Erstkäufer, darunter viele Frauen, lasse darauf schließen, dass das allgemeine Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung deutlich gewachsen sei. Als Ursache wird auch die massive Kontroverse um die Arbeit der Polizei nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd in Minneapolis durch Ordnungshüter angeführt. Im Nachgang kam es landesweit zu heftigen Protesten.
Sparen bei der Polizei
Viele Polizei-Direktionen nahmen sich danach bei der Verbrechensbekämpfung gerade in sozial schwachen Stadtteilen zurück oder mussten teils große Mittelkürzungen hinnehmen. Tausende „Cops“ gingen zudem in Rente oder wechselten nach Anfeindungen den Job. Mittlerweile habe manche Stadtregierungen Kürzungen rückgängig gemacht oder die Zuschüsse im Polizeiwesen sogar erhöht. Der Tenor „Weniger Polizei gleich mehr Sicherheit“ ist in Verruf geraten.
Negativrekord
In den USA sind mehr als zwei Millionen Menschen derzeit in Haft. Das ist sowohl in absoluten Zahlen als auch pro Kopf die höchste Rate der Welt. Mit 655 Häftlingen pro 100.000 Einwohnern liegt man weit vor Deutschland mit 77 oder Österreich mit 98 Insassen
Privatunternehmen
Neben Bundesgefängnissen und jenen in den Bundesstaaten gibt es in den USA weiterhin von privaten Firmen betriebene Haftanstalten. Sie beherbergen etwa zehn Prozent der Gefängnisinsassen. US-Präsident Joe Biden hat zu Beginn seiner Amtszeit einen Erlass erteilt, diese Verträge mit Privatunternehmern nicht mehr zu verlängern
Kommentare