Angst vor Putins Zorn lässt Generäle gegeneinander kämpfen
Eigentlich ist das nicht der gute Ton, den man von einem Verteidigungsminister erwartet. Aber Großbritanniens Ben Wallace nahm sich kein Blatt vor den Mund, als er den Zustand der russischen Armee und vor allem ihrer Führung schilderte: „Die versuchen irgendwie aus dem Schlamassel in der Ukraine rauszukommen - und das machen sie, in dem sie ihre Soldaten anbrüllen und beschimpfen.“
Die seit Wochen mit ziemlich verlässlichen Geheimdienstinformationen aus Moskau versorgten Briten sind zumindest eine mögliche Quelle, um sich das Rätselraten über Putin und seine Generäle etwas zu erleichtern. Denn je mehr sich sein Angriffskrieg festläuft, desto unverständlicher agiert der Kremlchef und desto weniger Information dringt nach außen. Eben erst hat Putin Außenminister Lawrow öffentlich korrigiert, weil dieser sich mit einer Bemerkung über Antisemitismus mit Israel angelegt hatte. Eine Konfrontation, die man gerade in Kriegszeiten nur hinter den Kulissen austrägt.
Nach vorne peitschen
Die Generäle aber rücken tatsächlich der Front und ihren Soldaten immer näher, um diese persönlich irgendwie nach vorne zu peitschen, in diesem verunglückten Krieg. Ein hohes Risiko, wie die Todesopfer in ihren Reihen beweisen. Gerade soll der neunte russische General getötet worden sein. Und damit nicht genug, fast erwischte es zugleich den Militär, dem Putin in einer Hauruck-Aktion die Kriegsführung übertragen hatte, um den völlig verfahrenen Karren aus dem Dreck zu ziehen. Valery Gerasimov, der ebenso brutale wie erfolgreiche Stratege des russischen Einsatzes in Syrien, soll ebenfalls schwer verwundet worden sein – auch er ganz knapp hinter der Front: Ein völlig ungewöhnliches Verhalten für einen Armeeführer, wie westliche Militärs meinen.
"Sehr zögerlich"
Durchgesetzt mit seiner Strategie hat sich Gerasimov jedenfalls bisher nicht. Denn wie ein hochrangiger US-Militär gegenüber der New York Times analysiert, „das Vorgehen der Russen in der Ostukraine ist sehr vorsichtig, sehr zögerlich.“ Man habe mit einer viel härteren, viel brutaleren Offensive gerechnet.
"Fangen an aufeinander loszugehen"
Massive Angriffe etwa gegen Versorgungslinien und Infrastruktur der Ukraine, für die man im Pentagon bereits mögliche Gegenmaßnahmen einkalkuliert habe. Diese Angriffe aber fanden nur vereinzelt statt. Warum, darüber herrscht in westlichen Militärkreisen Rätselraten: Ist das Risiko für die russische Luftwaffe zu groß? Gehen ihr allmählich die High-Tech-Raketen aus? Oder aber, und das ist auch die Vermutung, die der britische Verteidigungsminister anstellt: „Sie fangen an aufeinander loszugehen, versuchen sich gegenseitig verantwortlich zu machen, für das militärische Desaster.“
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