Ich hör' auf zu rauchen: Müde vom Zurückhalten

Ich hör' auf zu rauchen: Müde vom Zurückhalten
Seit fast 2 Monaten rauche ich nicht mehr. Mein Umfeld und ich selbst warten auf den Rückfall - oder bin ich übern' Berg?
Diana Dauer

Diana Dauer

Zwischen meinen Lippen steckt ein Filter. Das Zigarettenpapier halte ich in der linken Hand, mit der rechten portioniere ich Tabak und platziere ihn anschließend auf dem Papier. Über 6 Wochen lang habe ich nicht geraucht. Ich habe allen Verführungen widerstanden. Und trotzdem habe ich jetzt wieder Tabak vor mir liegen. 

Noch zwei weitere Handgriffe. Einmal mit der Zunge leicht über den Klebestreifen geleckt. Die perfekte Zigarette ist fertig. Ich bin nicht aus der Übung - alles jahrzehntelange Routine. Das verlernt man nicht so schnell. Der Vorgang dauert 45 Sekunden. Die kurze, feste Rolle schmiegt sich an meine Finger, als wäre sie nie weg gewesen. Und jetzt? 

"Was machst du da?", fragt mich ein rauchender Kollege und reißt mich aus meinem stummen Kampf mit mir selbst. Er war von Beginn an in meinen Entwöhnungsprozess involviert, hat mich wöchentlich begleitet.  "Keine Angst. Die ist eh - leider - nicht für mich", erwidere ich wehmütig und übergebe die verbotene Frucht an einen anderen Noch-Raucher, der mich auf die Probe stellen will. Er hat mich gebeten, ihm eine Zigarette zu drehen und ihm will ich zeigen, dass ich nicht schwach werde.

Er nimmt sie lächelnd entgegen, betrachtet die Zigarette anerkennend. Er ist älter, raucht länger, aber seine Zigaretten sind trotzdem bei weitem nicht so hübsch wie meine. Dieser Raucher scheint eine diebische Freude daran zu haben, meine Enthaltsamkeit auf die Probe zu stellen, und zu sehen, ob er mich verführen kann. 

Ich bleibe stark. Wenn mich die Feiern mit meinen Freunden und der Alkohol bisher nicht gebrochen haben, schafft er es erst recht nicht. Oder möglicherweise doch? So langsam schwindet meine Willensstärke, die sich zum Teil aus der Ungläubigkeit meiner Mitmenschen speiste. Das Verlangen schleicht sich an mich heran, und zwar in Momenten, in denen meine Deckung bröckelt. 

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Ego-Probleme 

Das Duo aus dem Forderer, der mich um eine Tschick gebeten hat, und dem Förderer, der keine Tschick in meinen Händen sehen will, verzieht sich zum Rauchen vor die Türe. Ich bleibe alleine zurück. Wäre ich gerne mitgegangen? Früher schon. Und wenn ich ganz ehrlich bin, auch jetzt noch. Denn eines bleibt wahr: Das gemeinsame Rauchen ist etwas Verbindendes. Und manchmal vermisse ich es, Teil dieser Gruppe zu sein. 

Was verpasse ich denn, die sind doch eh gleich wieder da? Ja, aber in diesen Minuten passiert alles. Gefährde ich meine soziale Rolle, wenn ich bei den ritualisierten Rudeltreffen nicht mehr dabei bin? Bröckeln meine Freundschaften, wenn ich nun die Geschichten nicht höre, die man nur weit weg von ungewollten Mithörenden beim Rauchen erzählt? Bin ich nicht mehr Teil von den lustigen Situationen, in denen Insider (Witze und Referenzen, die nur Menschen verstehen, die entweder dabei waren oder eingeweiht wurden) entstehen?

Meine überkompensierte Unsicherheit meldet sich zurück und zieht an meinem inneren Nervenkostüm, wie ein kleines Kind, das sich durch das Ziehen am Ärmel eine Stimme verschaffen will. "Du wirst nicht mehr dazu gehören", krächzt mein Ego-Problem. 

Und mit den Tagen wird es schlimmer. Die Partys kommen und gehen und immer mehr Geschichten aus den Nächten machen die Runde. "Wann war das denn? Ich war doch bis zum Schluss auf dieser Feier", wundere ich mich und kann dem kleingeistigen Gefühl nicht entfliehen, ausgeschlossen zu werden. "Das war draußen beim Rauchen, da warst du nicht dabei", höre ich momentan viel zu oft. 

"Ich geh' immer mit zum Rauchen und bin nie verführt", sagt mir ein Nichtraucher, bei dem ich mich beschwere, nachdem ich bei der letzten Feier einen ganzen Raum verpasst habe, weil dort geraucht wurde. 

Schön für ihn, denke ich mir. "Du hast ja auch nie geraucht. Du vermisst nicht, was du nicht kennst", sage ich aggressiv. Natürlich könnte ich mitgehen, mache das sogar manchmal. Aber an willensschwachen Tagen ist die Versuchung zu groß. Also, was will ich? Sozialen Anschluss, Teil eines eingeweihten Kreises sein? Sechs verschwörerische Minuten zu zweit (ich schätze die Zigarettendauer auf etwa sieben Minuten)? Oder will ich das gesunde Leben und die Haut einer Nicht-Raucherin? 

Meist beantwortet die Vernunft diese Frage. Aber wenn der hinterlistige Alkohol die Vernunft betäubt oder Stress, vermeintlich wichtigere Dinge vor die Gesund und die Eitelkeit reiht, ist es schwer Nein zu sagen und alleine zurückzubleiben. 

Ich beneide sie alle 

"Mit der Zeit wird es leichter", sagt mir ein lange abstinenter Ex-Raucher. Eine banale Floskel, die - obwohl natürlich mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit darin steckt - nur wenig hilfreich ist, wenn das Verlangen der Vernunft mit beiden Händen die Luft abschnürt. "Sei bitte leise", denke ich mir und weiß, dass die Person, die mir die Floskel so herablassend entgegnet, recht hat. Wahrscheinlich ist es nicht einmal echte Herablassung, aber der Stolz des Ex-Rauchers, der sich auf meinem Weg der Entwöhnung mit dieser Aussage mit mir verbrüdern will, wird von mir übersetzt. Und ich bin einfach neidisch, weil der andere weiter ist, als ich. 

Reflektiere ich mein Verhalten, bin ich derzeit angespannt, ungeduldig, gereizt, ich schlafe schlecht und fühle mich schwach. Das sind ganz schlechte Voraussetzungen, stark zu bleiben, wenn ich in Versuchung geführt werde. Ich ringe mit mir - immer wieder. Und aktuell wieder fast täglich. 

In meinem Inneren schreien sich die unterschiedlichen Stimmen an: Jetzt war ich so lange abstinent, ich habe mir doch bewiesen, dass ich es kann. Vielleicht kann ich ja doch zur Gesellschaftsraucherin werden? Vielleicht schaffe ich es doch nur ab und zu rauchen. Die andere Stimme: Ich werde nicht schwach, ich lasse mich nicht so leicht verführen. Ich bin willensstark. Eine der beiden Stimmen lügt, aber welche?

"Kommst du mit?", fragt mich eine Person, die Zigarette bedeutungsschwanger vor mir emporhebend und sich Richtung frische Luft bewegend. "Zum Rauchen?", frage ich entsetzt? Die Person weiß doch, dass ich aufgehört habe, wieso will sie mich testen? Nein, heute sollte ich nicht in ihrer Nähe sein, sonst greife ich nach ihr und all das Kämpfen und Prahlen war umsonst. Heute rauche ich nicht. Also, stark bleiben und weiteratmen. 

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