Wien ist, wie könnte es anders sein, eine unordentliche Stadt: Der Blick von oben offenbart Dächer-, Fassaden-, Verkehrs-, Planungswildwuchs, der anderswo – in echten Weltstädten – undenkbar ist.
Und zugleich eine Feigheit, die sehr spezifisch für hier ist: Längst sind die Stadtsäume geprägt von den Türmen hoch langweiliger Investorenarchitektur. Mit der Schönheit des heutigen Bauens nach ganz oben aber kann man in Wien nichts anfangen. Der Stempel „Weltkulturerbe“ dient hier als wunderbarer Vorwand für die Verhinderung von allem, das im Kern der Stadt aufzeigt, herausfordert, in eine Richtung – nach oben! – weist. Man hat quasi die internationale Erlaubnis, beim Bauen im „es war immer schon so“ und im „früher war alles besser“ zu verharren.
Nachfragen lohnt!
Denn das Welterbe kommt von einer obersten Obrigkeit, die noch obriger ist als unsere Obrigkeit, und da salutiert man hierzulande lieber als nachzufragen.
Dabei lohnte sich das! Denn entgegen der Befehlsergebenheit, die ihm entgegengebracht wird, ist das Prädikat „Weltkulturerbe“ keine Offenbarung, kein Gesetz oder Richterspruch. Sondern etwas sehr Zeitverhaftetes, das längst ein Update benötigte: Nach Kriterien, die in den 1950er Jahren etabliert wurden, wird eine Stadt an einem völlig willkürlichen – und teils fiktiven – Moment eingefroren. Wie gehört eine Stadt, wann ist sie fertig? Diese Frage ist eigentlich nicht zu beantworten. Das Weltkulturerbe sagt: vor 100 Jahren. Warum aber, das sagt es nicht.
Vielleicht ist es Zeit für ein Ende
Und man stelle sich den Bahöö vor, wenn die Stadt schon dieses Siegel getragen hätte, als die halbe Innenstadt abgerissen wurde, um neue Pracht- und Prunkbauten und eine neue Straße zu bauen. Die Ringstraße, es hätte sie nie gegeben.
Vielleicht ist es an der Zeit, diese Kette bewusst abzustreifen. Nicht, um ein bestimmtes, misslungenes Projekt zu bauen. Sondern aus Rücksicht darauf, was eine Stadt ist: ein lebendiger Organismus nämlich. Aber der Tourismus, heißt es dann, der lebt davon. Weit gefehlt: Der Verlust brächte keine nennenswerten Einbußen, sagen Touristiker unter der Hand. Wien ist Wien auch ohne Weltkulturerbe.
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