Wie lange noch? Wir brauchen eine Perspektive

Wie lange noch? Wir brauchen eine Perspektive
Langsam wächst der Widerstand gegen die strengen Maßnahmen der Regierung. Kein Wunder.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Die großen Probleme erkennt man am besten im Kleinen. Nehmen wir als Beispiel die Wienerstadt mit ihren Grünflächen.

Die städtischen, also von der Gemeinde verwalteten Parks sind trotz der Ausgangsbeschränkungen weiterhin zugänglich – warum auch nicht? Man kann ja den knapp zwei Millionen Menschen, die sich bei herandräuenden frühlingshaften Temperaturen nach Bewegung sehnen, nicht ein biss’l frische Luft auf einer Wiese verwehren.

Die Bundesgärten hingegen, also die von der Republik betreuten historischen Anlagen, sind abgeriegelt. Zur Erklärung für alle Nicht-Wiener: Im Rathauspark darf man kurz verweilen, auf der anderen Straßenseite im Volksgarten nicht. Das ist nicht nachvollziehbar. Den Wienern ist doch wurscht, wem das Bankerl gehört.

Parteikalkül prallt auf Alltag der Bürger

Dahinter stecken freilich delikate Fragen. Ist die Stadt Wien tatsächlich so fahrlässig im Umgang mit der Infektionsgefahr durch das Coronavirus und nicht bereit, bei den bundesweit verordneten Maßnahmen mitzumachen? Oder will der anderscouleurige Bund, gerade vor der Wien-Wahl, zeigen, wer das Sagen hat? Wieder einmal Ausnahmen, also Extrawurst für Wiener statt Landjäger für alle? Wie auch immer die Antworten ausfallen: Hier prallt Parteikalkül auf den Alltag der Bürger.

Vordergründig kleinmütiger Streit also, de facto jedoch politische Schmutzwäsche zum völlig falschen Zeitpunkt, noch dazu mit großer Signalwirkung: Offenbar sind nicht mehr alle bereit, die verordnete Isolation kritiklos hinzunehmen. Dass der widerspenstige Innsbrucker Bürgermeister, der Grüne Georg Willi, Forderungen erhebt, ist aus dieser Richtung unerwartet, zeigt aber die Probleme der kleinen Regierungspartei mit einem Law-and-order-Kurs. Dass der zum Oppositionellen geschrumpfte Herbert Kickl den Kanzler kritisiert, wundert keinen, dokumentiert aber ebenfalls, dass ein nationaler Schulterschluss per se brüchig ist.

Es ist logisch, dass im Moment niemand exakt sagen kann, wie sich das Virus weiter ausbreitet und wann genau das öffentliche Leben wieder hochgefahren wird. Aber die Menschen, die sich bisher sehr brav an die Vorschriften gehalten haben, verdienen klarere Worte, als sie zuletzt bei den Regierungsverlautbarungen gefallen sind. Klare Worte heißt nicht zwingend: Wir nehmen das Schlechteste an, sagen den Bürgern, dass wir uns in der „Ruhe vor dem Sturm“ befinden und dass bald jeder einen kennen würde, der am Virus verstorben ist. Klare Worte heißt auch: Wenn sich die Infiziertenzahl bis zum Tag X so entwickelt, dann gibt es für den Tag Y folgende Szenarien. Für die Unternehmen, für die Schulen, für die Restaurants etc.

Die Menschen brauchen eine Perspektive, ein Ziel – und sei dieses auch nur die nächste Weggabelung. Man verlangt von uns sehr viel. Das ist unsererseits nicht zu viel verlangt.

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