Bootsunglück im Mittelmeer: Wenn es legale Migrationsrouten gäbe

Sie hatten liebliche Namen wie „Sophia“ oder „Irini“ – dennoch konnten die EU-Such- und Rettungsmissionen im Mittelmeer es nicht verhindern: An die 20.000 Flüchtlinge sind in den vergangenen zehn Jahren beim Versuch ertrunken, übers Mittelmeer nach Europa zu kommen.
Wenn zusätzlich private Rettungsschiffe in Seenot geratene Migranten aufnahmen, durften sich die NGO-Aktivisten nicht selten anhören, sie seien „Teil des Geschäftsmodells der Schlepper“. Nach dem Motto: Je mehr Retter unterwegs seien, desto mehr überfüllte Kähne würden die Schleuser losschicken.
Dass dieser zynische Vorwurf falsch ist, beweist das furchtbare Unglück vor der griechischen Küste. Bis zu 750 Menschen sollen an Bord des altersschwachen Fischkutters gewesen sein. Mehrmals erhielt das Boot Hilfsangebote.
Abgelehnt: In Griechenland wollten die Migranten nicht an Land gehen. Das Ziel war Italien. Dort sind die Aufnahmebedingungen weniger katastrophal. Eine fatale Entscheidung: Nur 104 Menschen überlebten, als der Kutter binnen Minuten versank.
Ähnlich groß ist das Entsetzen alle paar Monate wieder, zuletzt vor Kalabrien im März, und viele Male davor.
Die Tausenden Migranten, die schon beim Weg durch die Sahara sterben, finden hingegen nie den Weg in die Nachrichten. Und doch ist es täglich da, das Sterben entlang der Flucht- und Migrationsrouten.
Die wahre Pest dabei sind die Schlepper. Sie scheren sich nicht darum, ob ihre Opfer je lebend ihr Ziel erreichen. Und so muss es Teil einer europäischen Lösung sein, das widerliche Geschäft der Menschenhändler entlang der gesamten Fluchtroute zu stoppen.
Das beginnt spätestens bei der Zusammenarbeit mit den Ländern, wo Flüchtlinge in die Boote steigen.
In Libyen finanziert die EU einen Teil des Küstenschutzes, Ähnliches schwebt der EU mit Tunesien vor. Dass diese Länder nicht als lückenlose Grenzwächter für Europa herhalten, zeigt der Alltag: Von Libyen aus steigen weniger, aber trotzdem immer noch Menschen in die Kähne.
Der in der Vorwoche gefeierte EU-Migrationskompromiss ist auch nur ein Schritt, das Sterben auf dem Mittelmeer einzubremsen. Geplant ist demnach, Asylverfahren schneller abzuwickeln und Abgelehnte rasch auszuweisen.
Das mag Migranten zögern lassen, im großen Stil abhalten wird es sie aber nicht.
Ein anderer Ausweg wären letztlich legale Fluchtrouten. Wer weiß, dass er auf einem sicheren Weg Asyl oder Arbeit in der EU erhalten wird, wagt sich nicht auf ein Boot. Und es hätte für Europa den riesigen Vorteil:

Die EU könnte sich aussuchen, wer kommt. Die illegale Migration wäre auch damit nicht besiegt, das Sterben von Flüchtlingen nicht endgültig verhindert.
Aber Katastrophen wie jene vor Griechenland könnten weniger werden.
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