Verschlafenes Europa: In Afrika nur auf der zweiten Spur

Verschlafenes Europa: In Afrika nur auf der zweiten Spur
China hat das Potenzial des Kontinents längst erkannt und macht beinhart Geschäfte. Europa blickt nur auf die Migration
Ingrid Steiner-Gashi

Ingrid Steiner-Gashi

Überspitzt formuliert könnte man sagen: Was Europa jahrzehntelang in Afrika vorwiegend gesehen hat, waren Armut, Unterentwicklung, unerwünschte Migranten und idyllische Safari-Reiseziele.

China dagegen hat das riesige Potenzial des Kontinents schon viel früher entdeckt: In keiner Region der Welt wächst die Bevölkerung schneller, vergrößern sich die Städte rasanter, sind die Menschen jünger und brauchen mehr von dem,

was das chinesische „neue Seidenstraßen-Projekt“ zu bieten hat – also neue Straßen, Brücken, Flughäfen, Häfen, Industriegebäude, Sonderverwaltungszonen. Und China stürzte sich auf dieses lukrative Investitionsfeld: 2020 bauten chinesische Unternehmen fast ein Drittel aller Infrastrukturprojekte in Afrika. Dagegen kommt der gesamte Westen, also USA und Europa zusammen, auf geschrumpfte zwölf Prozent. Vor sieben Jahren war es noch genau umgekehrt.

Im Rennen um wirtschaftliche Chancen und Kooperationen fährt Europa in Afrika also nur noch in der zweiten Spur. Laut und quälend lang war das Jammern der Europäischen Union über ihren Bedeutungsverlust in Afrika. Aber nach dem Schock über Chinas plötzliche Dominanz auf Europas Nachbarkontinent war es dennoch weniger der geschwundene geopolitische Einfluss, als eine ganz andere Sorge, die Europa zum Umdenken brachte: die Migration.

Die Zauberformel

So tief das Meer auch zwischen den beiden Kontinenten ist, die Wanderung von Afrika nach Europa wird sich auch mit dem allerbesten Grenzschutz nie völlig auf null bringen lassen – das wissen in Europa alle Regierungen. Die seit Jahren mantraartig wiederholte Zauberformel lautet nun: „Bekämpfung der Fluchtursachen“. Heißt so viel wie: Europa versucht dabei zu helfen, zu investieren, zu bauen, Wirtschaft anzuschieben. Mit dem Ziel, der afrikanischen Bevölkerung daheim bessere Lebensperspektiven zu bieten – und sie so von der Migration abzuhalten.

Wenn jetzt, beim EU-Afrika-Gipfel zunächst einmal 40 potenzielle Investitionsmilliarden (später sollen es noch 150 werden) auf dem Tisch liegen, ist das ein guter Ansatz. Vor allem aber würde es Sinn machen, die zig Milliarden Euro, die Europa bisher in Form von Entwicklungszusammenarbeit nach Afrika schickte, strategisch klüger einzusetzen.

China hat den afrikanischen Geschäftspartnern nie etwas vorgemacht: Es ging um knallharte Geschäfte. Vielleicht müsste Europa da auch ehrlicher sein: Es geht auch uns, wenn wir nun die „Partnerschaft mit Afrika“ beschwören, um Geschäfte, Geld und vor allem darum, die Migration einzudämmen. Vor allem aber sollte Europa aufhören vorzugeben, man wolle Afrikas Probleme lösen. Das Ziel wären Partnerschaften – mit berechtigtem europäischem Eigeninteresse.

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