In der Industriehochburg Linz, wo auf 200.000 Einwohner rund 210.000 Arbeitsplätze kommen, verwandeln Pendler zentrale Straßen tagtäglich in eine No-go-Area. Die Politik hat zu spät reagiert. Lieber hing man Tagträumen über eine Stadtseilbahn nach. In Graz, wo die Menschen unter Lärm und Luftverschmutzung leiden, zog sich der Streit um eine Mini-U-Bahn über quälend lange 22 Jahre. Jetzt gab es eine Einigung, schon 2030 (!) könnte das Projekt Realität werden.
Nicht einmal in Wien, wo man über ein gutes und wachsendes Öffi-Netz verfügt, wagt man den großen Wurf. Rot-Pink hat sich die Verkehrsberuhigung der City zwar ins Arbeitspapier geschrieben, tüftelt aber an so vielen Ausnahmen, Sonderregeln und Extrawürsten, dass vom Konzept wohl wenig übrig bleiben wird. Dem Pkw, der heiligen Kuh des Österreichers, tritt man tunlichst nicht zu nahe. (Sondern reißt gerade die historische Innenstadt auf, um eine Tiefgarage zu bauen.)
Was es braucht, wären klare Ansagen: Nein, motorisierter Individualverkehr hat in Innenstädten nichts mehr verloren. Nein, nicht jeder, der aus Bequemlichkeit mit dem Auto fährt, ist wirklich darauf angewiesen. Nochmals nein: Ohne Verzicht wird die Verkehrswende in der Stadt nicht klappen. Kluge Investitionen in Angebote für Öffi-Nutzer, Radler und Fußgänger müssen den Umstieg (dort, wo es geht) aber attraktiver machen.
Ausländische Metropolen machen vor, wie es klappen kann. Paris sperrte Straßenzüge, die von 40.000 Autos am Tag befahren wurden, führte autofreie Sonntage und flächendeckend Tempo 30 ein. London gab während der Pandemie 15.000 Quadratmeter Straßenfläche für Fußgänger und Radler frei und schuf die weltweit größte autofreie Zone in einer Hauptstadt. Nach Corona wird nicht zurückgebaut, im Gegenteil.
Es mag überraschen: Die Politiker erhalten für diese Verkehrspolitik von der Mehrheit der Stadtbewohner Applaus. Und den mögen heimische Politiker doch auch gerne, oder?
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