Trotzdem auf Urlaub fahren!

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Europa ist eine einzige Reisewarnung. Oder besser gesagt ein Fleckerlteppich aus roten Listen
Simone Hoepke

Simone Hoepke

„Reisewarnung“ hat das Potenzial, zum Unwort des Jahres gekürt zu werden. Zumindest, wenn Touristiker in der Jury sitzen.

Ein kleiner Auszug: Am Montag hat Österreich eine Warnung für Reisen nach Prag oder in die französischen Regionen Île de France und Provence-Alpes-Côte d’Azur ausgesprochen. Zeitgleich nehmen slowenische Behörden Wien, Tirol und Vorarlberg in die Liste der Risikogebiete auf. Und in Deutschland ruft Gesundheitsminister Spahn pauschal auf, diesen Winter doch gefälligst zu Hause zu bleiben. Reisewarnung für Wien, Innsbruck und Vorarlberg inklusive. Europa ist eine einzige Reisewarnung. Oder besser gesagt ein Fleckerlteppich aus roten Listen.

Aus Sicht der Hoteliers ein einziges rotes Tuch. Die Wintersaison wird für viele zur sprichwörtlichen Zerreißprobe. Die Buchungen für die Skisaison sind überschaubar, zuletzt lagen sie rund zwei Drittel unter dem Normalniveau. Da niemand sagen kann, wo als Nächstes der Grenzbalken nach unten geht, gehen viele lieber auf Nummer sicher. Und stellen sich auf einen Urlaub zwischen „Sofambik“ und „Dahamas“ ein.

Und das ausgerechnet vor der umsatzstarken Wintersaison, die in den meisten Betrieben entscheidend in der Frage „Sein oder Nichtsein“ ist. Tourismusberater rechnen bereits vor, dass jedes dritte Hotel in Österreich wackelt. Zehn Prozent der Häuser werden demnach wohl zusperren.

Und selbst das ist leichter gesagt als getan. Als Hotelier kann man nicht einfach den Schlüssel umdrehen und gehen. Zumindest nicht, wenn man mitsamt seinem Haus auf einem Schuldenberg sitzt, der bei der Schließung des Betriebs noch um eine kräftige Steuerzahlung erweitert wird. Wodurch der Privatkonkurs nicht mehr weit ist. Dass ein edler Ritter mit Geldkoffer um die Ecke biegt, kann man sich tendenziell abschminken. Internationale Ketten winken bei Einsaisonbetrieben ab. Oft schlicht, weil sie ihnen zu klein sind.

Zyniker behaupten gern, dass Hoteliers ihren Kindern zu kleine Schuhe anziehen, um sie von klein auf zum Jammern zu erziehen. Jammern sei nicht nur der Kaufmannsgruß, sondern auch jener der Touristiker. Zumindest dann, wenn es ums Einfordern von Steuervergünstigungen und Förderungen geht. Aber das gehört wohl auch zum Lobbyismus und zur Politik.

Letztere kann sich mit ihren sich ständig ändernden Sperrstunden- und Maskenregeln schwer als Robin Hood der Vermieter aufspielen. Reisewarnungen gibt es trotz allem, und sie klingen aus Sicht der Hoteliers längst „wie kleine wirtschaftliche Kriegserklärungen“. Auch Kreditstundungen helfen wenig, wenn kein Gast und damit kein Geld in die Kassa kommt. Die Politik fällt als Retter aus. Helfen kann letztlich nur der Gast, der trotz allem auf Urlaub fährt.

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