Die SPÖ haderte – ob direkt oder indirekt – mit ihrer eigenen Parteivorsitzenden und der wieder unklaren Linie im Umgang mit der FPÖ.
Diese schien sich teuflisch zu freuen, wieder unter den Lebenden zu weilen.
Und die Grünen befanden sich seit den Hausdurchsuchungen bei der ÖVP und im Kanzleramt in einer Lose-Lose-Situation: Entweder hätten sie sich final mit Türkis (im Falle des Falles von Kurz) überworfen - oder mit ihren Wählern (im Falle ihres Umfallens).
Schöne alte Welt – und Parteipolitik, wohin man schaut.
Versuchen wir aber einmal, um zumindest gedanklich nach vorne zu kommen, zwei Schritte zurückzutreten. Worum geht es außer um vordergründigen Machterhalt bzw. -gewinn? Um ein erschreckendes Sittenbild, das die unzähligen – großteils zufällig gefundenen, teils überbewerteten, teils hochbrisanten – Chats offenbaren. Unabhängig davon, was der heutige Kanzler damals selbst geschrieben hat: Da wollte eine Gruppe ohne Rücksicht auf Verluste an die Macht, scheute sogar vor Attacken auf die eigene Partei nicht zurück, setzte Medien und Wirtschaftsforschungsinstitute unter Druck und vergriff sich regelmäßig im Ton.
Selbstverständlich gilt bis zu einem Urteil die Unschuldsvermutung. Aber ist das Strafrecht wirklich das oberste Maß für Politik? Kann man alles machen, solange man nicht einsitzt? Oder geht es nicht doch um Ethos, Moral, politische Verantwortung?
Der Bundespräsident hatte völlig recht, als er die Abkehr von Egoismen einmahnte. Das gilt für sämtliche Parteien. Bis heute spielen in diesem Skandal Wohl und Ansehen des Landes eine verschwindende Rolle. Es scheint nur um Erfolgschancen bei Neuwahlen oder nach Regierungsumbildungen zu gehen. Damit vollzieht die Politik auf schamloseste Weise, was soziale Medien aufbereitet haben: Es geht um Likes, nicht um Inhalte, Chats haben im wahrsten Sinne des Wortes die Macht übernommen.
Wir sind nicht so, hieß es nach Ibiza. Vielleicht doch.
*** Hinweis: Dieser Text wurde wegen aktueller Entwicklungen am Samstagabend aktualisiert ***
Kommentare