Ob eine derart lange politische Blockade ausgerechnet im heurigen Krisenwinter gescheit wäre? Mit großer Wahrscheinlichkeit würden der Bundeskanzler und die Energieministerin die Spitzenkandidaten ihrer Parteien sein – und die zwei zentralen Akteure in der Krise sitzen dann monatelang in TV-Duellen herum?
Als nächstes stellt sich die Frage nach den Alternativen. Ist die SPÖ auf die Regierungsverantwortung vorbereitet? Sie hat zwar eine sympathische Spitzenkandidatin, aber es fehlt ihr in vielen Fachbereichen an ministrabler Kompetenz. Auch eine eingängige Erzählung, was sie inhaltlich will, ist die SPÖ bisher schuldig geblieben. In ihrer aktuellen Herbstkampagne feiert sie wieder einmal Errungenschaften der 70er-Jahre ab. Auch nicht mehr ganz taufrisch.
Konzepte füllen keine Bücher
Karl Nehammers politische Konzepte füllen ebenfalls keine Bücher. Der Kanzler arbeitet pragmatisch die Aufgaben ab, die ihm in den multiplen Krisen zufallen und setzt auch manche türkisgrüne Markierung. Seine Leistungen werden jedoch von dem fatalen Kurz-Erbe überschattet. Und ein Befreiungsschlag ist von Nehammer eher nicht zu erwarten, ist er doch selbst Teil der ÖVP-Machtmechanik. Dennoch sollte man Nehammer nicht unterschätzen, bei einer Neuwahl wäre er im Rennen ums Kanzleramt sicher mit dabei.
Der Dritte auf dem Schauplatz wäre wohl Herbert Kickl, denn die FPÖ befindet sich im Aufwind und könnte ihm die Spitzenkandidatur nicht verwehren.
Welche Koalitionsvarianten wären realistisch? Rot-Grün-Neos hofft auf eine Ampelmehrheit, aber die wird ihnen gerade von der ÖVP weggeballert. Je schriller der Ausländer-Alarm, je mehr Zelte-Tohuwabohu, desto eher wird die traditionell rechte Mehrheit in Österreich zementiert. Und diese garantiert der ÖVP die weitere Regierungsbeteiligung. Sie kann sich dann – wie schon die letzten Jahrzehnte hindurch – aussuchen, ob sie mit der FPÖ oder mit der SPÖ koaliert.
Die SPÖ glaubt, dass bei einer schnellen Neuwahl eine Ampelmehrheit noch drinnen wäre. Aber die Grünen wollen das Wagnis einer Neuwahl mit der vagen Aussicht auf Rot-Grün-Pink nicht eingehen und lieber die zwei verbleibenden Jahre Regierungszeit, die ihnen sicher sind, ausleben.
Kommentare