Pro
Von Karoline Krause-Sandner
Die Seile stehen still. Die Sessellifte hängen in der Station und warten auf die Freigabe. Kinder fragen, wann sie wieder Ski fahren und snowboarden dürfen. Erwachsene, die bisher ihre Fitness und ihren Seelenfrieden beim Skifahren gefunden haben, bleiben auf der Couch.
Aber klar. „Skifahren ist böse, weil Ischgl und die Geld scheffelnden Touristiker...“
Wussten Sie, dass Skifahren und Snowboarden das Risiko von Alzheimer und Altersdemenz senkt? Wussten Sie, dass die vielseitige physische Belastung durch den schnellen Höhenwechsel im Körper einen wichtigen positiven Stress erzeugt, der uns nicht nur körperlich, sondern auch geistig fit hält? Von der Bewegung, der Sonne, der frischen Luft und dem Vitamin D ganz zu schweigen.
Ich bin mehrmals auf Skipisten gewesen, kurz vor dem Lockdown. Die Konzepte, die die Gebiete in den vergangenen Monaten und Wochen ausgearbeitet haben, beruhigen mich. Bis auf den Shuttle-Bus zur Gondel konnte ich keine aerosolkritische Situation erkennen. Beim Anstellen zwischen Wellenbrechern wird nicht gedrängelt, die Gondeln nur halb besetzt, vor dem Schlepper vom Liftpersonal freundlich an das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes erinnert. Natürlich muss man von den Skibegeisterten die Eigenverantwortung abverlangen können und das bleibt das große Fragezeichen. Außerdem müssen Seilbahner und Wirte (und deren Personal) noch mehr in die Pflicht genommen werden.
Trotzdem bemerkt man in Medien – vor allem den „sozialen“ – einen kalten Wind gegen das Skifahren. Kann es nicht sein, dass sich der Grant aber vielmehr gegen die Apres-Ski-Partys und die „Wir haben alles richtig gemacht“-Interviews im TV richtet, als gegen den Sport Skifahren an sich?
Es wird zwar oft von Overtourism und dem Wahnsinn der (großteils Tiroler) Skigebiete gesprochen, die sich gegenseitig mit Hotelburgen, Mega-Skihütten und Zusatzangeboten (Pinguine?) zu übertreffen versuchen.
Aber wenn die Seile weiter stillstehen und die Gondeln weiter in der Station bleiben, sendet das an die einheimische Bevölkerung, die die Lifte täglich sieht, außerdem ein Signal: Bleiben die ausländischen Gäste weg, dürfen auch wir nicht Ski fahren – und verlieren womöglich sogar unsere Jobs. Ob man das wirklich will?
Contra
Von Johannes Arends
Dass die Regierung am vorweihnachtlichen Beginn der Skisaison festhält, ist nicht nur unsolidarisch gegenüber unseren Nachbarn Deutschland und Italien, sondern auch höchst fahrlässig angesichts der aktuellen Infektionszahlen. So etwas kann bei schlecht umgesetzten Hygienevorschriften als Brandbeschleuniger für die Pandemie in ganz Europa dienen, wie wir es im Frühjahr in Ischgl erlebt haben.
Aber es soll ja auch die Skisaison ermöglicht werden, nicht die Aprés-Ski-Saison. Doch auch ohne Hüttengaudi ist man beim Skifahren, abgesehen von der Piste selbst, ständig eng zusammengepfercht: Zum Beispiel in der Schlange an der Talstation oder beim Mittagessen in der überfüllten Hütte. Hier ist hinsichtlich etwaiger Hygienekonzepte Kreativität gefragt.
Wie aber sollen sinnvolle Maßnahmen umgesetzt werden, ohne die Besucherzahlen drastisch zu reduzieren? Ein Personenlimit für Gondeln und Skihütten? Desinfektion nach jeder Fahrt? Das würde die ohnehin schon langen Schlangen am Berg deutlich verlängern. Und auch das bietet wieder enormes Infektionspotenzial.
Klar, ein Wegbrechen des Wintertourismus in der Weihnachtszeit wäre der nächste Nackenschlag für eine ohnehin getroffene Branche. Ein späterer Saisonbeginn wäre aber wohl trotzdem leichter zu verkraften, als ein dritter Lockdown im neuen Jahr. Das sieht übrigens auch Patricio Hetfleisch, der Chef der Tirol Werbung, so.
War es uns wichtig, wie es kroatischen Familienbetrieben im Sommer ging, als wir gebeten wurden, auf Urlaub zu verzichten? Es gibt nur einen Grund, warum wir damals zu Hause bleiben und nun im Winter Ski fahren sollten, und der ist egoistisch geprägt: In Österreich gibt es eben Berge, keine Strände. Denn trotz aller Romantik bleibt Skifahren vor allem eines: ein Riesengeschäft.
Darauf müsste man aber nicht (komplett) verzichten: Der Staat hat die Möglichkeit, in besonders herausfordernden Zeiten Lösungen zu finden, um das Leben seiner Bürger nicht aufs Spiel zu setzen. Alleine vergangene Woche haben wir wieder mehr als 450 an das Virus verloren.
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