Dieses Signal gegen den Invasionskrieg Russlands war wichtig und richtig. Natürlich wäre es gescheiter, wenn es auch bei solchen Veranstaltungen Maskenpflicht gäbe. Dass dem nicht so ist, ist aber kein Versäumnis des Veranstalters oder einer „feierwütigen Jugend“ (welch lustige Kritik nach zwei Jahren ohne Party), sondern das, was in Österreich für Pandemiemanagement gehalten wird. So ist derzeit die Verordnung. Ein Konzert ist nicht der Ort, an dem politische Versäumnisse aufgeholt werden.
Und nicht der Ort, der die Pandemieentwicklung nach oben kippen lässt: Das passiert, weil unter anderem die Kindergarten- und Schulvirologie seit zwei Jahren als Problem der Eltern gesehen wird, weil man durch konfuse Kommunikation dafür sorgte, dass Maßnahmen nicht mehr ernst genommen werden und weil eine Impfkampagne offenbar zuviel verlangt ist. Dass ein einzelnes, noch so großes Konzert hier an den Pranger gestellt wird, ist wunderbare Ablenkung.
Und dass – da das Stadion nun mal in Wien steht – hier auch wieder die pandemischen Länderscharmützel gespielt werden, ist halt die österreichische Realverfassung, die man nach zwei Jahren Corona eh nur noch schulterzuckend hinnehmen kann.
Georg Leyrer
Contra: Das wäre ein paar Wochen später besser gewesen
Seit Tagen wird der neue Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) öffentlich für die Corona-(Nicht)-Maßnahmen geprügelt. Angesichts der enorm hohen Infektionszahlen wirft man ihm und der Bundesregierung einen zu lockeren Umgang mit den Corona-Maßnahmen vor. Am lautesten kommt die Kritik aus der Bundeshauptstadt Wien, wo man deswegen auch auf strengere Vorgaben setzt.
Und mitten in Wien, konkret im Ernst-Happel-Stadion im Prater, fand am Samstag ein großes Benefizkonzert mit rund 40.000 Besuchern statt. Ohne Masken, ohne große Corona-Kontrollen, ohne Abstand – und das fast zehn Stunden lang. Der ideale Nährboden für einen riesigen Cluster.
Es geht da nicht um den Inhalt der Veranstaltung. Ein Benefizkonzert gegen den Krieg und zur Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung ist ein notwendiges Zeichen der Solidarität. Wenn aber die hohen Infektionszahlen ein so großes Problem sind, dann hätte man das Konzert auch um ein paar Wochen verschieben können, bis die Kurve endlich nach unten zeigt. Außerdem man hätte sich zumindest mahnende Worte vom Gesundheitsministerium, von der Stadt Wien oder auch von so manchem Experten erwarten können.
Das ist nicht passiert. Also muss man annehmen, dass die Kritiker der für sie zu lockeren Corona-Maßnahmen in einer 40.000-Besucher-Veranstaltung weniger ein Problem sehen als bei Gastro-Besuchen oder im Handel. Was uns zeigt, wie verlogen diese Diskussion vielfach geführt wird.
Martin Gebhart
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