Die Angriffe der Hamas stehen jedoch in keinem Verhältnis dazu. Das ist Terrorismus in Reinform. Nach Charlie Hebdo, Brüssel, Berlin, Manchester und all den anderen terroristischen Anschlägen hisste die halbe Welt die Flaggen der betroffenen Staaten. Nun hat der Nahostkonflikt eine lange, tragische Geschichte, in der es nicht "die Guten" und "die Bösen" gibt. Auch Israel sind brutale Kriegsverbrechen vorzuwerfen. Allerdings ist in diesem konkreten Fall die Sachlage klar.
Wenn dann noch auf den Straßen Europas Parolen wie "Oh Jude, die Armee Mohammeds wird zurückkehren" skandiert werden, wenn zur Vergewaltigung jüdischer Frauen aufgerufen wird, ist es Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.
Eine Flagge auf einem Amtsgebäude wird dabei nicht reichen. Damit aber ein Zeichen der Solidarität mit einem Staat zu setzen, der von einer Terrororganisation bombardiert wird, ist zumindest akzeptabel. Und wer damit kommt, dass Österreich doch eine Vermittlerrolle einnehmen solle, dem sei die Charta der Hamas ans Herz gelegt: "Friedensinitiativen und sogenannte Friedensideen oder internationale Konferenzen widersprechen dem Grundsatz der Islamischen Widerstandsbewegung."
Armin Arbeiter ist Außenpolitik-Redakteur des KURIER.
CONTRA
Je suis Paris. Die Frankreich-Flagge auf den Facebook-Profilen. Das war einfach. Die Israel-Flagge am Ballhausplatz? Schwierig.
Wird Israel von einer terroristischen Organisation attackiert? Ja. Töten, verletzen und verängstigen diese Terrorattacken unschuldige Menschen? Ja. Muss deshalb das Kanzler- und Außenamt eines – nach eigener Definition – neutralen Staates, der Gastgeber mehrerer internationaler Organisationen ist, die Flagge Israels hissen? Nein.
Im Nahost-Konflikt geht es nicht simpel um einen terroristischen Angriff. Es geht um die militärische Eskalation in einem jahrzehntelangen Konflikt, der durch Provokationen auf beiden Seiten gezeichnet ist.
Soll man in dieser Situation die Flagge eines Staates hissen, den man zwar als Freund bezeichnet, dessen Politik man aber wiederholt kritisiert hat? Wie kann man den Siedlungsbau, der einer der Auslöser der aktuellen Eskalation ist, als "völkerrechtswidrig" und "Friedenshindernis" bezeichnen und sich gleichzeitig mitten im Konflikt offen auf die Seite dieses Staates stellen, der (auch) wegen dieses Siedlungsbaus angegriffen wird?
Man tut sich schwer mit der Argumentation, wenn man das offen antisemitische iranische Regime und den polternden türkischen Präsidenten hinter sich weiß. Und doch zeigt deren Reaktion: Die Rolle als Brückenbauer in dieser Frage hat Österreich längst aufgegeben.
Antisemitismus ist in der internationalen Politik und in vielen Gesellschaften – auch in Österreich – ein unterbelichtetes Problem. Geht es uns um den Kampf dagegen, dann zählt anderes als das Hissen der Flagge in Unterstützung für eine fragwürdige Regierung in einer fragwürdigen Situation, deren Premier sich neben dem Vorwurf des Völkerrechtsbruchs auch jenem der Korruption stellen muss, in Wien aber als "persönlicher Freund" gilt.
Karoline Krause-Sandner ist Außenpolitik-Redakteurin des KURIER.
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