PRO
Es hat ein bisschen was von „Dinner For One“: Rund um das Autofahren führen wir einander immer wieder das gleiche Schauspiel vor.
Vor dem Stephansdom dürfen keine Autos mehr stauen? Bei so einer Idee gibt es erst lautes Jammern, und ein paar Jahre später kann sich keiner mehr derartigen Unsinn vorstellen. Mariahilfer Straße ohne Autos? Jammer, jammer, und heute sind alle froh, außer diejenigen, die es aus Prinzip nicht sind.
Auch bei der Verkehrsberuhigung der Wiener Innenstadt werden wir uns dieses Theater vorspielen: Was, weniger Autos in der Innenstadt? Jammer, jammer. Und unsere Kinder werden dann die Bilder von heute so irritiert anschauen wie wir diejenigen vom einstigen täglichen Stau in der Kärntner Straße.
Klar, es ist ein großes Umdenken, das gerade stattfindet. Vor einem halben Jahrhundert baute man die Städte rund um das Auto herum um. Heute wird zurückgerudert, und dem Auto Raum und Wichtigkeit entzogen. Das korrigiert einen Irrtum – und stellt wieder den Menschen in den Mittelpunkt. Gut so! Als nächstes dann bitte, wie in mittlerweile fast jeder echten Stadt, flächendeckend 30er-Zone und Spielstraßen, die den Namen verdienen und nicht nur Vorlage zum Scheinabbremsen sind. Und Raum (und verpflichtende Verkehrsregelkunde) für Radfahrer, damit sie uns Autofahrern nicht so auf den Wecker gehen.
Denn auch als Autofahrer muss man nicht der Meinung sein, dass sich die Stadt vom Auto beherrschen lassen muss.
Georg Leyrer leitet die Kulturredaktion
CONTRA
Wien hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Stadt mit zwei Millionen Einwohnern entwickelt. Nicht alle davon können naturgemäß innerhalb des Gürtels wohnen. Das Wachstum findet vor allem in den großen Flächenbezirken statt. Doch die Öffis hinken der Entwicklung hinterher. Wer nicht an der U- oder S-Bahn wohnt, braucht in vielen Fällen eine gefühlte Ewigkeit, vor allem wenn er nicht ins Zentrum muss. Die einzig brauchbare Alternative bleibt dann oft das Auto.
Leider denken aber viele Städter und Lokalpolitiker, dass das plumpe Verkehrskonzept namens „Autos raus“ überall zu gelten hat. Dabei war dies nicht einmal auf der Mariahilfer Straße erfolgreich, der Handel leidet dort unter schwachen Umsätzen und stirbt. Und wohl bald auch auf der äußeren Mariahilfer Straße, wo Geschäfte mit den Behörden jetzt um jede Ladezone kämpfen müssen und eine Einbahn die Zufahrt erschweren wird.
Dennoch beglückt die Verkehrsstadträtin die Wiener mit noch mehr Radwegen, auf denen kaum jemand fahren wird, etwa in Döbling oder Liesing. Dabei ist es egal, wie viele Parkplätze oder Geschäfte dafür geopfert werden, dem Rad wird alles untergeordnet. Und auch die 30er-Zonen wachsen laufend weiter, auch dort, wo sie keinen Sinn ergeben, etwa in Industriegebieten oder neben Friedhöfen. Dass dabei teils auch Öffis ausgebremst werden, ist als Kollateralschaden in Kauf zu nehmen. Dabei wäre es gescheiter, zuerst die Öffis auszubauen und erst dann den Individualverkehr einzubremsen.
Robert Kleedorfer ist Ressortleiter Wirtschaft
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