PRO
Selbst jene, die sich intuitiv gegen das Gendern aussprechen (wie manche bürgerliche Politiker in lichten Momenten), nennen meistens nicht das zentrale Argument: dass nämlich biologisches und grammatikalisches Geschlecht zwei verschiedene Dinge sind. Das beliebteste Argument der Genderbefürworter, Frauen seien beim sogenannten „generischen Maskulinum“ nur mitgemeint, also nicht „sichtbar“, geht ins Leere. Der Bamberger Germanist Helmut Glück hat dazu bereits vor einigen Jahren angemerkt, diese Ansicht verkenne „eine elementare Funktion von Sprache: Sprache bezeichnet, Sprache meint nie irgendetwas“.
Damit wäre eigentlich schon alles gesagt. Begriffe wie Bäcker, Journalist, Schüler, Architekt bezeichnen jeweils eine Person beiderlei Geschlechts, die eine bestimmte Tätigkeit ausübt. Und zwar habituell, im Sinne eines Berufs, einer Ausbildung o. ä. – nicht aktuell. Deswegen ist das Partizip Präsens als angeblich „genderneutrale“ Formulierung völlig ungeeignet. Bezeichnenderweise hat sie sich ohnedies nur in wenigen Bereichen etabliert – insbesondere im universitären Milieu: von „Studierenden“ zu sprechen, gilt als Ausweis progressiver Gesinnung, während der „Backende“ oder „Kochende“ sich noch nicht wirklich durchgesetzt haben.
Privat mag es jeder sprachlich halten, wie er will – für die öffentliche Hand freilich sollten sprachliche Klarheit und Verständlichkeit die obersten Prinzipien sein.
Rudolf Mitlöhner ist stv. Ressortleiter der Innenpolitik
CONTRA
Nein! Und damit wäre eigentlich auch schon alles gesagt. Das Weibliche muss in der Sprache sichtbar bleiben. Warum also etwas verbieten, das Frauen in Texten wahrnehmbar macht? Viele Menschen landen noch immer zu schnell bei dem Satz: „Die Frauen sind eh mitgemeint.“ Das generische Maskulinum ist aber nicht zufällig entstanden, sondern in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft.
Was über die Jahrhunderte passieren kann, wenn Mann die weibliche Form ausspart: Frauen verschwinden. Die Direktorin der Diakonie Maria Katharina Moser erklärte vor wenigen Tagen auf X, warum sie gendert: „Im Altgriechischen wird ein grammatikalisch männliches Wort auch für Frauen verwendet. Wenn die Bibel von Aposteln spricht, sind auch Apostelinnen mitgemeint.“ Über die Jahrhunderte jedoch sei vergessen worden, dass Frauen Apostelinnen waren. Mühsam hätten feministische Theologinnen das ab den 1970er-Jahren wieder ausgraben müssen.
Damit Frauen nicht zum Anhängsel verkommen – Binnen-I, *, : sind zugegebenermaßen nicht schön – gäbe es noch eine andere Variante. Sie wäre kürzer als die männliche und weibliche Version auszuschreiben. Man könnte die kommenden, sagen wir, 1.000 Jahre ausschließlich die weibliche Form verwenden. Wissenschafterinnen für alle Wissenschafter, Sängerinnen für alle Sänger, Lokführerinnen für alle Lokführer usw. Die Männer könnten mitgemeint sein – und es gäbe die leidige Diskussion über das Binnen-I nicht.
Katharina Salzer ist stv. Leiterin des KURIER am Sonntag
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