Sie hat Chancen, die nächste Nationalratswahl zu gewinnen. Die (gezielte) Schwächung der ÖVP hat den Blauen genutzt. Weil allen anderen Parteien fehlt, was Sebastian Kurz mit seinem Team sowie Herbert Kickl hat(te): eine Strategie. Kurz erkannte, dass das Flüchtlings- und Integrationsthema die Bürger bewegt, nahm sich dessen gezielt an und orchestrierte die Aussagen seiner Regierungsmannschaft. Kickl schüttelte den Ibiza-Makel der Partei erstaunlich schnell ab, machte sie vom ÖVP-Partner zum erbitterten Gegner und punktete
bei den Verdrossenen in puncto Impfen, Flüchtlinge, Verbreitung des politischen Islam, Kriegsangst, Teuerung, unrealistische Klimaziele und neue Geschlechterunübersichtlichkeit. Inklusive kalkulierter Aufregungen: Wenn die (sozialen) Medien toben, denkt man „draußen auf der Straße“ ja meist genau das Gegenteil.
Dazu kommt der als „ÖVP-Korruptionsausschuss“ titulierte Untersuchungsausschuss. Wie vier apokalyptische Reiter tauchten in den ORF-Abendnachrichten fast täglich Stephanie Krisper, Christian Hafenecker, Kai Jan Krainer und Nina Tomaselli auf. Zumindest die Neos erkannten, dass das letztlich auf eine Selbstbeschädigung aller Parteien hinausläuft (wie es OGM-Chef Wolfgang Bachmayer formuliert) und zogen die Reißleine.
Aber was jetzt? Alle Parteien außer den Freiheitlichen befinden sich in der Doppelmühle: Da nicht davon auszugehen ist, dass man mit der FPÖ auf Bundesebene einen Pakt für ein konstruktiveres Miteinander schließen kann, könnten sich zumindest die Klubobleute aller anderen Parteien auf einen gemäßigteren Ton in der Auseinandersetzung einigen. Was wiederum Wasser auf die FPÖ-Mühlen wäre, dass man sie ausgrenze. Es hat ja auch Van der Bellen sein Bekenntnis geschadet, Herbert Kickl nicht automatisch den Auftrag zu einer Regierungsbildung geben zu wollen, selbst wenn er Stimmenstärkster wäre.
So kann man nur darauf zählen,
dass die äußeren Krisen nicht eskalieren, sondern sich wieder lösen. Immerhin ist die Pandemie (hoffentlich) ausgestanden, der Wirtschaftsabschwung nicht so schlimm wie befürchtet, und es herrscht (noch) Beschäftigtenhöchststand. Nur der Krieg wird nicht so schnell enden. Minister Johannes Rauch, der eine dringend nötige Gesundheitsreform angekündigt hat, erreichte im Vertrauensindex ein fettes Plus. Eine vage Hoffnung, dass sich die große Gereiztheit doch nicht verfestigt – und der Politik noch Handlungsspielraum zugestanden wird.
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