Selbst Menschen, die einen weiten Bogen um Pisten machen und Fernsehübertragungen von Skirennen meiden, kennen die berühmteste Abfahrtspiste der Welt. Der Hahnenkamm mit Mausefalle, Steilhang und Hausbergkante bildet die natürliche Kulisse für das berühmte Schauspiel. Spektakel garantiert.
Was Monte Carlo für die Formel 1 ist, ist Kitzbühel für den Skisport. Die Vermarkter bezeichnen die Veranstaltung selbstbewusst als „größte Ski-Show der Welt“ und „Superbowl of Wintersports“. Und doch ist ihnen bewusst, dass die Hahnenkammabfahrt längst mehr ist als nur ein Skirennen. 50 Millionen Euro zusätzlich werden an diesem Wochenende in der Region umgesetzt; Hotelzimmer können ausschließlich wochenweise gebucht werden. Kitzbühel ist ein kleiner Wirtschaftsgipfel und ein großer Promi-Auflauf, wie immer angeführt von Arnold Schwarzenegger. Als TV-Konsument kann man sich Kitzbühel kaum entziehen. Der ORF kündigt das Event seit Wochen an und berichtet seit Sonntag mehr oder weniger durchgehend. Jüngere Menschen sollen von bezahlten Influencern angesprochen werden, die live von Partys berichten.
Das Fußvolk muss heuer ohne harte Getränke auskommen, hochprozentiger Alkohol ist verboten, zu ausgelassen wurde in den vergangenen Jahren gefeiert. Die echten Ski-Fans drängen sich durch die engen Gassen der Altstadt, ohne Chance, in eine der Bars eingelassen zu werden, wo sich (vor allem) Reich und Schön präsentieren und amüsieren.
Immer wieder steht Kitzbühel – zu Recht – in der Kritik, dass der Sport zur Nebensache verkommt. Tatsächlich ist dieses Remmidemmi nicht jedermanns Sache. Sogar die meisten Rennfahrer fühlen sich an anderen Orten wohler, wo sie zwischen ihren gefährlichen Auftritten ein wenig zur Ruhe kommen können. Doch sie spielen das Spiel mit, wissen ganz genau, dass sie angewiesen sind auf diese Show. Dass es diese Inszenierung braucht, um einmal im Jahr auch Menschen für den Sport zu begeistern, die sich die restlichen 51 Wochen nicht dafür interessieren.
Doch all diese Diskussionen enden spätestens am Freitag um 11.30 Uhr. Wenn sich der erste Athlet aus dem Starthaus am Hahnenkamm stürzt, dann steht tatsächlich einzig der Sport im Mittelpunkt. Zumindest bis Feierabend.
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