Tatsächlich hat Meinl-Reisinger glaubwürdig vermittelt, dass vor allem ihre Partei für die Rolle des unliebsamen Reformers bereitstand. Auch im Wahlkampf haben nur die Pinken das vielleicht heißeste Eisen, eine nachhaltige Pensionsreform, angegriffen. Und in den Verhandlungen unterbreiteten sie dazu konkrete Vorschläge.
Absprung der Neos
Allzu rigoros waren diese übrigens nicht. Die fetten Pensionserhöhungen der vergangenen Jahrzehnte sollten 2026 und 2027 minimal rückgängig gemacht werden. Ja, auch die heftig polarisierende Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre stand im Raum. Allerdings erst ab 2034. Kurzum: Das türkis-rot-pinke Pensionspaket wäre eines geworden, das man in Vorzeigestaaten wie Schweden milde belächelt hätte.
Zuletzt soll Andreas Bablers linker SPÖ-Flügel sämtliche Fortschritte im Pensionsbereich revidiert haben. Wobei Neos-Verhandler auch die ÖVP für Blockaden kritisieren. So habe sich der Bauernbund bei der Abschaffung des Dieselprivilegs quergestellt.
Aber wie soll man den so späten, pinken Absprung einordnen?
Die Neos wollten nicht Teil einer Koalition sein, die schmerzhafte Reformen weiter vertagt. Sie haben ihre Grundwerte nicht für zwei bis drei Ministerien und eventuell ein paar Staatssekretariate verhökert. Sachpolitik war offensichtlich wichtiger als Ämter und Karrieren: Das ist respektabel.
Dreierkoalition (zu spät) geplatzt
Für Meinl-Reisinger könnte es die einzige Chance gewesen sein, im Bund zu regieren. So gesehen hat sie die Glaubwürdigkeit der Partei, aus ihrer Sicht die Interessen des Landes, vorangestellt. Und das ist tatsächlich ein Bruch mit österreichischen "Usancen" – um das Unwort der vergangenen Monate zu bemühen.
Dennoch hat die Sache einen Logikfehler: Der Schritt erfolgt viel zu spät. Schon vor Wochen berichteten Verhandler aller Parteien, dass in den entscheidenden Fragen keine richtigen Durchbrüche in Sicht seien: budgetär und wirtschaftspolitisch. Seitdem geschah nicht mehr viel. Der Außenauftritt blieb katastrophal.
Warum die Neos nicht früher "Stopp" gesagt und für klare Verhältnisse gesorgt haben, bleibt ihr Geheimnis. 96 Tage nach der Nationalratswahl hat Österreich immer noch keine neue Regierung. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlen Stabilität, ein Budget und jede Vision.
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