Wenn einen Thomas Mann in der Umkleidekabine tröstet

Wenn einen  Thomas Mann in der Umkleidekabine tröstet
Ein Literaturnobelpreisträger als Leidensgenosse. Es gibt Schlimmeres.
Agnes Preusser

Agnes Preusser

Manchmal, da geht bei jedem etwas schief. Man schafft eine Prüfung nicht, bekommt einen Job nicht oder Ähnliches. Wer trösten will, sagt dann Dinge wie „Albert Einstein war auch in der Schule schlecht“ oder „Joanne K. Rowling wurde von fast allen Verlagen abgelehnt, bevor jemand das Potenzial von Harry Potter erkannte“. (Ersteres stimmt übrigens gar nicht.)

Doch wie kann man sich trösten, wenn man nicht wirklich etwas Schlimmes erlebt hat, aber trotzdem schlecht drauf ist? Wenn eben alltägliche Kleinigkeiten nicht so laufen wie geplant? Abhilfe schafft der Twitteraccount „Thomas Mann Daily“. Hier gibt es täglich Zitate aus den Tagebüchern des Schriftstellers. Und beim Lesen fühlt man sich einfach verstanden. Denn wenn ein Nobelpreisträger wegen Nichtigkeiten mies gelaunt ist, ist das doch sicher auch jedem anderen erlaubt.

Wenn man etwa in der Umkleide feststellt, dass nichts passt, ist man nicht allein. Am 20. November 1921 schrieb Mann: „Auch leide ich seelisch und körperlich darunter, daß No 4 aller Unterkleider mir zu klein, No 5 mir zu groß ist.“ Wer sich eine wichtige Info nicht gemerkt hat, findet am 23. April 1919 einen passenden Vermerk: „Blamiert, da ich die Geburtsjahre der Kinder nicht wußte.“

Ist man im Job nicht ganz so agil, kann man den Eintrag vom 4. Februar 1939 zitieren: „Mit meiner Arbeitsenergie dauernd unzufrieden.“ (Ob man so etwas den Chefs unter die Nase reibt, bleibt jedem selbst überlassen.) Hat man zu früh zu den Sommersachen gegriffen, der erleidet das gleiche Schicksal wie Mann am 26. Juli 1933: „Wohl gestern bei langem Sitzen in der bloßen Leinen-Hemdblouse erkältet.“

Sie vermissen eine Abschlusspointe? Hier darf ich auf Manns Eintrag vom 23. September 1940 verweisen: „Sehr unlustig.“

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