Warum in den vergangenen Monaten nicht alles schlecht war

Warum in den vergangenen Monaten nicht alles schlecht war
Nun kehren sie wieder, die gesellschaftlichen Verpflichtungen der wertfreieren Sorte.
Michael Hammerl

Michael Hammerl

Trampeln, Drängeln, Menschenmassen: Ab kommendem Mittwoch ist dieser lange Winterschlaf offiziell vorbei. Wir müssen unbedingt die Schleusen öffnen, die Wirtschaft dürstet nach Lockerungen. Aber unsereins?

Ich wage eine höchst subjektive, undifferenzierte und schmerzbefreite Einschätzung: Nein, es war nicht alles schlecht in dieser Zeit der verordneten Ungeselligkeit.

Nun kehren sie nämlich wieder, die gesellschaftlichen Verpflichtungen der wertfreieren Sorte. Schon Jean-Jacque Rousseau, ein mittlerweile besonders alter, weißer Mann, wusste: Gesellschaft verdirbt den Menschen.

Vermeintlich pervers

Man hat ja so viele Geburtstagsfeiern versäumt, in leider nicht austauschbaren Innenstadt-Hipster-Lokalen – mit Cocktails in Einmachgläsern und nur einer Biersorte, die dann doch ein Cider war. Wirklich wichtig ist in solchen „Gaststätten“ nur, dass die Glühbirne möglichst lose von der Decke baumelt und das vielfarbige Mobiliar so aussieht, als hätte es jemand von der Müllsammelstelle entwendet und bepinselt. Eh, Hauptsache unter Leuten.

Ob diese Beschreibung tatsächlich auf irgendein Wiener Lokal zutrifft? „Ich kann ausschließen, dass ich mich daran erinnere“, würde ich als Befragter im U-Ausschuss antworten. Das ist im Zweifelsfall klüger als „Ja“ oder „Nein“ und laut meinen Erinnerungen auch nicht gelogen. Vorüber sind jedenfalls bald die Zeiten, in denen das geborene Landei am späteren Abend durch seine Betonwüste in Margareten spazieren konnte und sich von der gespenstischen Stille bezirzt fühlte.

Klar, anfangs verfolgte einen das schlechte Gewissen. Es flogen nämlich mehr Folgetonhörner als gewohnt vorbei. Doch die Stille kam wieder, man vergaß die schrecklichen Bilder von anderswo und genoss die vermeintliche Perversion.

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