In Zeiten von Kriegen, zwei davon aktuell gar nicht so weit weg von uns, kommen die moralischen Fragen dazu: Was legitimiert ein solches Fest, wenn anderswo so viele Menschen gezielt getötet werden? Ist es nicht schamlos zu tanzen, wenn gleichzeitig Gewalt dominiert?
Und auch diesmal lautet die Antwort Ihres Leitartiklers (aus der Ferne, denn selbst dort war er noch nie – und sein Bedürfnis, das zu ändern, ist enden wollend): Selbstverständlich soll die Tradition aufrechterhalten und auch zu schwierigen Zeiten getanzt werden, wenngleich die Staatsoper sonst dazu da wäre, künstlerisch hochwertige Produktionen zu zeigen. Eine Bühne ist sie ja auch an diesem speziellen Tag. Und je trauriger die Nachrichtenlage, desto wichtiger die Unterhaltung.
Der Opernball gehört zum Fasching wie der Heringsalat zum Aschermittwoch: meistens etwas zu üppig, ein bissl sauer, hoffentlich aber noch einigermaßen frisch. Der Opernball ist Österreich im Kleinen: Stolz auf seine Geschichte, die Orden auf der geschwellten Brust präsentierend, aber nicht durchwegs der Gegenwart verhaftet, ganz gern in einem leichten Dusel, entweder durch die Geschwindigkeit beim Walzer oder ein nicht musikalisches Achterl.
Der Opernball ist anachronistisch und restmonarchistisch – mit einem aus der Mittelloge winkenden Mann aus der Hofburg. Und er ist demokratisch durch und durch, weil sich jeder, der kann, eine Karte kaufen kann, um sich für einen Tag in Schale zu werfen. Der Opernball ist gesellschaftspolitisch gleichermaßen Versöhnung wie Spaltung und die Mitternachtsquadrille nicht mehr crazy als ein Tag im Parlament.
Vor allem aber ist der Opernball ein Fernsehereignis ersten Ranges, viel attraktiver als ein Skirennen, man kann als Besucher staunen, spötteln, zu- und dann lieber weghören, er ist, auch was die Macht des Zynismus betrifft, durch und durch rot-weiß-rot.
Der ORF will mit dem neuen Unterhaltungschef Martin Gastinger noch mehr Fokus auf das Defilee legen, und das ist völlig richtig. Abgesehen davon sind die Kommentare von Kari Hohenlohe und Christoph Wagner-Trenkwitz traditionell ein Highlight und der Beweis, dass Humor und Ernsthaftigkeit einander nicht ausschließen. Und dass Politik oft anders dastünde, wenn sie mehr Kultur hätte.
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