Im Ernstfall sind die Solidarität und der Zusammenhalt in Österreich groß. Abgesehen von den Einsatzkräften, die dieser Tage Unmenschliches leisten, gibt es viele Meldungen aus der Zivilbevölkerung, die Hoffnung schenken. Da ist der niederösterreichische Ort, in dem spontan für die Feuerwehrleute gekocht wurde.
Oder das Haus in Wien, in dem eine Russin eine vom Hochwasser betroffene Ukrainerin aus dem unteren Stockwerk, die erneut vor dem Nichts steht, in ihre Wohnung aufgenommen hat – und die restlichen Nachbarn eine Spendenaktion gestartet haben.
Das geht einem ans Herz und macht einen auch stolz. Das darf auch so sein, ist es schließlich ein wichtiger Anker für die Seele während der sich überschlagenden Ereignisse. Sich darauf langfristig auszuruhen, ist aber keine Option, denn die Arbeit geht jetzt erst richtig los.
Persönliche Tragödien verschwinden nicht einfach so, wenn die akute Bedrohung vorüber ist. Familien und Freunde haben Verluste zu beklagen, die Hochwasserkatastrophe hat mehrere Leben gefordert.
Andere stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, haben in den vergangenen Tagen vielleicht selbst um ihre Sicherheit gefürchtet. Bei den materiellen Verlusten kann man mit Geld helfen. Aber wie geht man mit den traumatischen Einschnitten und Erlebnissen um, die sehr viele Menschen noch lange, wenn nicht ein Leben lang, begleiten werden?
Und das ist der Knackpunkt. Denn worin Österreich nicht besonders gut ist, ist die Nachsorge und Aufarbeitung. Dass aufgrund der Corona-Pandemie viele Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene nach wie vor mit psychischen Auswirkungen zu kämpfen haben, belegen viele Studien. Diverse Kliniken berichten von mehr Fällen bei Depressionen, Ess- und Angststörungen in den Jahren danach.
Ernstgemeinte Versuche, dem entgegenzuwirken und der Psyche politisch den Stellenwert einzuräumen, den es bräuchte, gibt es wenige. Dass wir zukünftig noch mehr von Hochwasserereignissen betroffen sein werden, davon ist auszugehen. Eine weitere Belastung für die von Corona, Kriegen und der Teuerung beanspruchte Psyche. Man muss nicht „verweichlicht“ sein, wie es oft abgetan wird, um am eigenen Optimismus zu zweifeln oder ihn gar zu verlieren.
Jetzt muss investiert werden, damit das Land nicht den Mut verliert – und dafür braucht es nicht zwingend nur Geld: Das angeknackste Sicherheitsgefühl kann gestärkt werden, indem die zukünftige Bundesregierung glaubhaft den weiteren Ausbau des Hochwasserschutzes ernst nimmt, sich ernsthaft mit der Klimakrise auseinandersetzt.
Und im Krisenfall daran festhält – wie in den vergangenen zwei Tagen –, für die Bevölkerung zu sorgen.
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