Man fragt sich, wie viele Raketen und Bomben eine kämpfende Seite im „Normalfall“ auf ihren Gegner abfeuern müsste, um so viele Feinde auf einmal kampfunfähig zu machen.
Die Stunde Null
Vor allem aber – und das ist die furchterregendste Folge dieser Angriffswelle – ist seit dieser Stunde Null hybrider Kriegsführung nicht mehr absehbar: Wann, wo und vor allem wie wird attackiert? Fliegen demnächst auch die Kühlschränke in die Luft, die Handys sowieso, die Solarpaneele auf den Dächern der Feinde? Und wer definiert überhaupt, wer wessen Feind ist?
Dass derzeit nur Israels Geheimdienst dafür infrage kommt, diese spektakulären Schläge auszuführen, kann als sicher gelten. Da muss sich die Führung in Jerusalem erst gar nicht offiziell dazu äußern.
Aber wo in der Kriegsführung ein Tor geöffnet wird, da folgen bald andere. Erst legt Israel mit dem Computervirus Stuxnet iranische Atomanlagen lahm, dann greift es weltweit um sich: Mit Cyberattacken werden Ministerien und Energieanlagen blockiert, wird Infrastruktur attackiert.
Alles mittlerweile schon fast ein alter Hut – ohne breit ausgebaute Cyberabwehr kann heutzutage kein Land mehr in der Früh das Licht aufdrehen. Und nun also Explosionswellen gegen Kommunikationsgeräte des Alltags. In der Logik dieses spektakulären Vorgehens kann es jeden jederzeit treffen. Die Welt ist gut beraten, solch ein Vorgehen zu verbieten, solche Paukenschläge künftig zu verhindern, sie auf die Liste verbotener Operationen im Krieg zu setzen.
Geschwächte Hisbollah
Israel mag ein verheerender Überraschungsschlag gelungen sein. Die Hisbollah ist nachhaltig irritiert, geschwächt – vielleicht sogar so sehr, dass Israel versuchen könnte, mit Bodentruppen in den Libanon einzurücken. Jedoch: Anzeichen für eine Bodenoffensive gibt es vorerst keine. Und auch die Hisbollah hat, so sehr sie auch tobt, wenig Appetit auf einen großen Krieg in Nahost.
Und so bietet sich auch nach diesem jüngsten Schlag Israels das unveränderte Bild: Israel steckt in einem Zermürbungskrieg fest, in dem es die spektakulären Fähigkeiten seiner hybriden Kriegsführung testet. Einer Verhandlungslösung für ein Ende der Kämpfe mit Hisbollah und Hamas ist es damit nicht näher gekommen.
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