Euphorie und Rekord-Quote: Wie Hirscher die Ski-Massen emotionalisierte

SKI-WELTCUP IN SÖLDEN: RTL DER MÄNNER: HIRSCHER (NED)
Der Weltcupstart war Werbung für den Skisport. Auch dank Marcel Hirscher. Trotzdem steht der Volkssport Skifahren vor großen Aufgaben.
Christoph Geiler

Christoph Geiler

Das hätte sich wohl auch niemand vorstellen können, dass sich im Skisport einmal alles um einen Niederländer und einen Brasilianer drehen würde. Die Rückkehr des achtfachen Gesamtweltcupsiegers Marcel Hirscher als Ski-Holländer und die Premiere von Lucas Pinheiro Braathen als Skihelmträger vom Zuckerhut haben dem Weltcupauftakt in Sölden eine Aufmerksamkeit beschert, wie sie der Skisport selten einmal erfahren hat.

Nie zuvor hatte der Saisonstart so viele Fans (33.000) auf den Rettenbachferner gelockt, der ORF registrierte eine Rekordquote (1 Million Seher), 143 Millionen Menschen wurden mit den Zeitungsartikeln und Social-Media-Meldungen zum Thema Weltcupauftakt allein am Rennwochenende erreicht. 

Dazu noch die Postkartenidylle – ein kräftigeres Lebenszeichen hätte der Skisport gar nicht geben können.

Dabei ist es erst ein Jahr her, dass hierzulande Alarmstufe Weiß geherrscht hatte und der Untergang des Skisports und des Alpin-Weltcups heraufbeschworen wurde. Nach dem Motto: zu wenig Schnee, zu wenig Stars, zu wenig Perspektiven. Wohlgemerkt am gleichen Schauplatz in Sölden, an dem am vergangenen Wochenende ein Wintermärchen zelebriert wurde.

Nicht einmal König Fußball ist in der Lage, so zu emotionalisieren und zu polarisieren. Das zeigten nicht zuletzt die kontroversiellen Debatten über die Rückkehr von Marcel Hirscher nach fünfjähriger Pause: Die einen faszinierte der mutige Schritt des Altstars, die anderen sahen im Comeback nichts weiter als einen geschickten, teils nervigen Werbefeldzug für Hirschers Skifirma und seinen Helmsponsor. Kalt ließ das Thema in den letzten Tagen und Wochen jedenfalls keinen.

Die Begeisterung über den kitschigen Winterstart in Sölden darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Skirennsport auf einer dünnen Schneedecke dahin wandelt: Legt man die rot-weiß-rote Brille ab, dann sieht man rasch, dass der Weltcup in Wahrheit ein Mikrokosmos ist. Die Brett’ln bedeuten nur den Österreichern und Schweizern die Welt. Außerhalb dieser zwei Epizentren des Wedelns gibt es Rennen, bei denen oft mehr Starter als Zuschauer sind. „Exoten“ wie der Holländer Hirscher und der Brasilianer Braathen sind deshalb ein Segen für den Weltcup.

Aber auch das Skifahren als Breitensport sieht sich mit großen Herausforderungen konfrontiert: Der Volkssport wird zusehends zu einem Hobby für Wohlhabende, auch in Österreich machen immer mehr Menschen einen Bogen um die Pisten.

Der fehlende Nachwuchs ist langfristig wahrscheinlich sogar das größere Problem als der mangelnde Schnee. Der lässt sich heute maschinell erzeugen und verwandelt Landschaften in ein Winter-Wunder-Land. Nur die Schneekanone, die Skifahrer produziert, ist noch nicht erfunden.

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