Türkis-grüner Streit um Renaturierung: Klimaschutz - Ja, aber ...

Eine Umfrage unter ÖVP-Funktionären über jenes Regierungsmitglied des grünen Koalitionspartners, über das sie sich in den vergangenen fünf Jahren am meisten geärgert haben, würde ein eindeutiges Ergebnis liefern: Leonore Gewessler.
Sie hat ihre Vorhaben für den Klimaschutz mit einer derartigen Konsequenz und Beharrlichkeit vorangetrieben, sodass das ÖVP-Gegenüber, vor allem Kanzler Karl Nehammer und Klubobmann August Wöginger, oft alle Hände voll zu tun hatte, um die Parteikollegen zu beruhigen. Das beste Beispiel war der Baustopp für große Straßenbauprojekte, der einige ÖVP-Landeshauptleute in Rage brachte. Diese konnten nur mit dem Verweis auf den notwendigen Koalitionsfrieden im Bund im Zaum gehalten werden.
Je näher die EU- und die Nationalratswahl rücken, desto deutlicher wird aber, dass beim Thema Klimaschutz diese Brüche zwischen der ÖVP und den Grünen meist sehr oberflächlich gekittet worden waren. Der jüngste Streit um das EU-Gesetz zur Renaturierung, das den Mitgliedsstaaten die Wiederherstellung von Flüssen, Mooren und Wäldern – teilweise auf Kosten von agrarisch genutzten Flächen – vorgeben soll, hat das erneut offengelegt. Dass jetzt von beiden Seiten alle möglichen Rechtsexperten aufgeboten werden, um zu klären, ob Leonore Gewessler in Brüssel dem Gesetz zustimmen darf oder nicht, ist der beste Beweis für die verfahrene Situation. Zuvor waren es der hochstilisierte Konflikt um ein Aus von Verbrennermotoren, das die EU ebenfalls vorgeben will. Oder auch die Zukunft der Gasheizungen, wo die EU beim Abschalten strikter vorgehen will, als das Österreichs Regierung geplant hat.
Grundsätzlich muss gesagt werden, dass es in Österreich keine Parlamentspartei gibt, die nicht bejaht, dass gegen den Klimawandel etwas getan werden muss. Auch nicht die Freiheitlichen. Den Unterschied macht das Wort „aber“, das meist auf diese Feststellung folgt. Da kommen von der FPÖ die meisten Einwände. Aber auch die SPÖ konnte vielfach nicht mitziehen. Da ändert auch nichts daran, dass sich die rote Regierung in Wien beim Renaturierungsgesetz nun hinter Gewessler stellt.
Grundsätzlich muss auch gesagt werden, dass noch nie so viel für den Klimaschutz passiert ist wie in den vergangenen fünf türkis-grünen Jahren. Auch wenn es am Ende der Legislaturperiode kein Klimaschutzgesetz geben wird. Die Frage bleibt, ob bei all dem die Bevölkerung mitgenommen werden konnte. In der ÖVP zweifelt man mittlerweile daran und setzt sich immer mehr von den Vorstellungen der Grünen ab. Das unterstreicht der heimische EU-Wahlkampf. Da sind sich plötzlich die grüne Lena Schilling und der rote Andreas Schieder bei dem Klima-Thema politisch näher, während der türkise Reinhold Lopatka wortreich den Green Deal bremst.
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