Es ist nicht falsch, dass wieder einmal über die heimischen Wertvorstellungen, die Grundpfeiler unseres Zusammenlebens, die Orientierung für eine bunter gewordene Gesellschaft diskutiert wird. Ohne parteipolitische Brillen, aber mit dem Ziel, dass wir unser Werte-Fundament wieder besser verstehen.
Gerade Österreich hat sich in der Geschichte immer wieder schwergetan, wenn es um eine Nabelschau gegangen ist. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nannte man es die „österreichische Idee“, über die heftig diskutiert und philosophiert wurde. Damals ging es noch darum, ob die Attribute „deutsch“ und „katholisch“ für das Selbstverständnis notwendig sind. In den 1980er-Jahren war es der Psychologe Erwin Ringel, der uns die Ausformungen der „österreichischen Seele“ als Diskussionsstoff lieferte.
Mittlerweile hat sich viel geändert. Die Migrationswelle seit dem Jahr 2015 – Stichwort Gleichstellung der Frauen – und vor allem die Corona-Jahre haben deutlich gemacht, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt bei Weitem nicht so stabil ist, wie wir es gerne hätten. Stichwort Toleranz.
Jetzt ist schon klar: Der Begriff Leitkultur wurde vor einigen Jahren von einem Politologen in Deutschland geprägt, um Vorgaben für Migranten zu schaffen. Und auch bei uns schwingt das in der aktuellen Debatte sofort mit: Was sind die Werte-Richtlinien für Flüchtlinge und Zuwanderer, die in Österreich leben wollen?
Es wäre aber falsch, wenn diese Aufarbeitung bei dem Punkt der Integration stehen bleibt. Einfach nur Brauchtum und „Multikulti“ gegeneinander auszuspielen, ist eine unzureichende Herangehensweise.
Zum Glück sind Experten wie der Bevölkerungswissenschaftler Rainer Münz in dem Leitkultur-Gremium von ÖVP-Ministerin Susanne Raab involviert. Der hat gleich zu Beginn der Diskussion festgehalten, dass zuerst einmal Österreichs Bevölkerung in der Verantwortung steht. Erst wenn sich diese auf Grundwerte und eine Identität geeinigt habe, könnte man das den Zuwanderern vermitteln.
Mit diesem Ansatz kann die aktuelle Leitkulturdebatte zu einem Gewinn werden, der nachhaltig ist. Schade wäre, wenn alles jetzt schon zerredet wird, bevor noch Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Schade wäre auch, wenn diese Debatte nur für den Wahlkampf populistisch angestoßen worden ist. Dafür eignet sich das Thema ganz sicherlich nicht.
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