Jetzt lässt sich natürlich trefflich darüber streiten, was die politische Mitte tatsächlich ist. Diese musste zuletzt für viele Definitionen herhalten, von den Normaldenkenden bis zur schweigenden Mehrheit oder einfach nur jenen Menschen, die sich zwischen den extremen rechten und linken Rändern befinden. Einig sind sich alle Parteien, dass diese Mitte – wo auch immer man sie finden will – wahlentscheidend sein wird. Deswegen musste sich etwa der neue SPÖ-Bundesparteiobmann Andreas Babler intern den Hinweis gefallen lassen, dass eine zu linke Politik für einen ersten Platz nicht reichen wird. Und die FPÖ kokettierte zuletzt mit dem rechten Rand nur so weit, als dass sie ihre neuen Wähler nicht zu sehr verschreckt.
Demos gegen Rechtsextreme
Da kommt jetzt allerdings das Treffen von Rechtsextremen in Potsdam ins Spiel. Diese Zusammenkunft, bei der der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner, Gründer der Identitären, seinen „Remigrationsplan“ präsentierte, hat allen vor Augen geführt, dass das Verharmlosen von rechtsextremen Umtrieben nicht mehr toleriert werden darf. Als Herbert Kickl im ORF-Sommergespräch die Identitären als „NGO von rechts“ bezeichnete, war der Aufschrei relativ gering. Nach Potsdam, wo Martin Sellner mit seinen Vorstellungen von Massen-Abschiebungen eine zentrale Figur war, kann das so nicht mehr funktionieren.
Dass in Deutschland die Demonstrationen gegen Rechtsextreme einen enormen Zulauf verzeichnen, dass in Wien bei einer ersten Kundgebung trotz Regen über 40.000 Menschen kamen, sind erste deutliche Zeichen, dass sich seit Potsdam etwas bewegt. Wobei es nicht reicht, wenn nur linke Gruppierungen und Teile der Kirche dagegen mobil machen. Die FPÖ und Herbert Kickl werden somit daran zu messen sein, wie klar sie in Zukunft die Trennlinie zu Martin Sellner und den Identitären ziehen. Das muss auch für all jene ein entscheidendes Kriterium sein, die sich nach der Nationalratswahl – trotz aller gegenteiliger Ansagen – vielleicht doch noch in eine Koalition mit den Freiheitlichen wagen wollen.
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