Oft wurde Unterrichtsminister Martin Polaschek seit seinem Amtsantritt kritisiert. Lehrermangel, zu wenig Geld für Unis, zu wenig Entscheidungsfreudigkeit. Vieles an der Kritik war berechtigt.
Jetzt steht der für Schulen und Universitäten zuständige Minister erneut am Pranger. Polaschek möchte das Lehramtsstudium wieder auf fünf Jahre verkürzen, nachdem es vor nicht allzu langer Zeit auf sechs Jahre verlängert worden war.. Klar ist: Je länger die Studiendauer, desto geringer wird der Nachschub an jungen Lehrern.
Dass man in Österreich mittlerweile fast jeden Beruf akademisieren möchte, ist ohnehin seltsam. Auch Pflegekräfte und Kinderpädagogen sollen ja tertiär ausgebildet werden. Mit dem Ergebnis, dass sie am Arbeitsmarkt fehlen und lieber in der Verwaltung als am Patienten oder mit den Kindern tätig werden.
Daher ist der Minister diesmal richtig unterwegs: Niemand kann erklären, dass man für ein Lehramtsstudium sechs Jahre die Universität besuchen muss. Selbst das Studium der Rechtswissenschaft ist mit nur vier Jahren kürzer, gerade einmal Mediziner, die jeden Knochen und alle Zusammenhänge unserer Krankheiten kennen müssen, studieren sechs Jahre. Im Übrigen herrscht gerade in diesem Sektor ein massiver Personalmangel, weil wir jene Spezialisten, die wir in Österreich teuer ausbilden, allzuleicht ans Ausland verlieren – aber das ist ein anderes Thema.
Polaschek sollte in seinem neuen Reformeifer gleich einen Schritt weiter gehen. Das Lehramtsstudium gehört nämlich einer grundsätzlichen Reform unterzogen. Theoretisch muss ein Englischlehrer sämtliche Lautverschiebungen seit Entstehen der germanischen Sprachen auswendig kennen. Doch viel wichtiger ist es, an der Wissensvermittlung zu arbeiten.
Das Unterrichten von 10- bis 18-Jährigen, deren Aufmerksamkeitsspanne durch die sozialen Medien auf 30-sekündige Videos, inhaltsleere Snaps oder im besten Fall ein paar Hundert Zeichen Posting reduziert ist, bedarf ganz anderer Herangehensweisen (selbst wir Erwachsene ertappen uns ja dabei, dass nach wenigen Minuten Gespräch das Handy geöffnet und darin gelesen wird). Aber auch neue Lehrinhalte wie künstliche Intelligenz, Finanz- oder Medienbildung haben im Unterricht viel Luft nach oben.
Morgen werden wir Leserbriefe von Lehrern bekommen, die uns schreiben, dass sie das ohnehin machen. Stimmt. Aber ihr seid in der Minderheit. Weil es derzeit mehr auf Einzelinitiative ankommt und deswegen viele den Lehrerberuf frustriert wieder verlassen. Aufgabe der Politik ist es aber, am System zu arbeiten. Und das entscheidet sehr viel für unsere Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten.
Im Übrigen bin ich der Meinung: Wenn man zu Recht einen Monat lang im Juni für Toleranz in der Gesellschaft kämpft, sollte man im Herbst auch einen Monat zum Bildungsmonat erklären, samt Parade am Ring mit ORF-Liveübertragung. Dieses Thema hätte sich die gleiche Aufmerksamkeit verdient.
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