Wunderbar – das betrifft uns gar nicht. Und wer sollte da etwas dagegen haben? Auch der Befund, dass die Welt „instabiler“, die Zeiten „stürmischer“ geworden sind, lässt uns betroffen und folgenlos nicken. Wirklich eine Zumutung das alles! Wenn wir nur mehr „integre Politiker“ hätten, die all die Unbill von uns gefälligst fernzuhalten sich anschickten …
Auch Bundes- und Vizekanzler wurden den Ansprüchen einer solchen Feiertagsrede vollumfänglich gerecht. Während der Bundespräsident sich immerhin in Form von Appellen an Politik und Gesellschaft wandte (was anderes kann er freilich auch von Amts wegen kaum tun), tat dies die Regierungsspitze im Modus von Versprechungen: Sicherheit, sozialer Friede, Energiewende – keine Sorge, wir kümmern uns darum, lautet die Botschaft. Und weil ja Feiertag ist, gibt man es nicht zu billig: Ziel sei nämlich, „nicht nur, die aktuellen Herausforderungen bestmöglich zu meistern, sondern auch für die kommenden vorbereitet zu sein“. Nein, „koste es, was es wolle“, haben sie nicht gesagt.
Um nicht missverstanden zu werden: Vieles von dem Gesagten ist richtig, das Problem ist das Nichtgesagte. Kein Hinweis darauf, dass Freiheit, Sicherheit, Wohlstand immer neu erarbeitet werden müssen und von niemandem versprochen werden können; keine klare Ansage gegen überzogenes Anspruchsdenken, gegen die habituelle Selbststilisierung als Opfer (ganz Mutige hätten aus gegebenem Anlass hier durchaus auch auf den kürzlich verstorbenen Dietrich Mateschitz verweisen können). Keine kritische Anmerkung auch zum moralisierenden Gerede von Spaltung, Polarisierung, Hass, Fake News und dergleichen mehr – Kampfvokabel, die meist zur Diskreditierung des politischen Gegners missbraucht werden.
„Was ist los mit unserem Land? Im Klartext: Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression – das sind die Stichworte der Krise.“ – Das hat allerdings kein österreichischer Politiker am gestrigen Feiertag gesagt, sondern der deutsche Bundespräsident Roman Herzog vor 25 Jahren.
Kommentare