Das Leben spielt sich täglich anderswo ab

Während die Parteien über Wahltermine und künftige Partner taktieren, hat die Bevölkerung andere Sorgen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Während die Parteien über Wahltermine taktieren, hat die Bevölkerung andere Sorgen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über die Politikmüdigkeit

Eine Woche noch, dann ist auch dieser lange, oft unwürdige Wahlkampf vorbei. Die beiden Kandidaten beantworten hier Fragen, die wirklich mit ihrem Amt zu tun haben. In den vergangenen Monaten wurde ja oft so getan, als würde der Bundespräsident die ganze politische Landschaft umpflügen können. Das kann er nicht, jedenfalls soferne er sich an Gesetze und Gepflogenheiten hält.

Die Politikmüdigkeit vieler Menschen hängt damit zusammen, dass zuletzt viele Debatten in ihren Inhalten und in ihrer Gehässigkeit – Stichwort Facebook – ganz weit weg von der Lebensrealität in Österreich waren. Da hilft ein Sprung aus dieser "Politik-Blase". Zur Verleihung des Hans-Kudlich-Preises etwa. Namensgeber war der große Bauernbefreier des Jahrs 1848, geehrt werden heute Personen, die den ländlichen Raum verbessern oder das Verständnis für diese Regionen stärken. Ein Landwirt aus dem oberösterreichischen Sauwald etwa, wo eine vergessene Gegend mit hervorragenden Erdäpfeln ihre Wertschöpfung deutlich erhöht hat. Dort wird nicht über Rot-Blau diskutiert, sondern über Tourismuskonzepte.

Hilfreich kann auch ein Besuch in Orth an der Donau sein, wo zwei internationale Pharma-Konzerne, Pfizer und Shire, forschen und produzieren. Entscheidungen über Standorte werden oft gar nicht nach Arbeitskosten getroffen, die bei uns hoch sind, sondern nach der Verfügbarkeit von Spitzenkräften und leicht überschaubaren Genehmigungsverfahren. Da ist es hilfreich, dass die Regierung diese Woche eine Innovationsstiftung beschlossen hat und die Forschungsmilliarde umsetzen will. Nur, SPÖ und ÖVP überlagern sinnvolle Beschlüsse stets sehr rasch mit dem nächsten Streit, der nur der Profilierung einzelner Personen dient. Klar, Eitelkeiten und Eifersüchteleien gibt es auch in der Wirtschaft, fallweise sogar bei den Medien – Achtung, Ironie – aber kein Unternehmen könnte sich leisten, dass seine Spitzenrepräsentanten öffentlich aufeinander einprügeln.

Die Bürger sind oft weiter als die Politiker

Apropos Medien: Kein ORFler hat sich getraut, ein Streitgespräch mit Matthias Strolz zu führen. Die Neos fordern eine andere Finanzierung und einen klaren öffentlich-rechtlichen Auftrag. Nur der SPÖ-Altvordere Josef Cap hat sich mit Strolz hingesetzt und dabei bewiesen, dass Politiker oft in ihrer Entwicklung stecken bleiben. Eine Gesellschaft, die das tut, wird verarmen (hier).

Womit wir wieder beim Ausgangspunkt wären. Viele Menschen, auch in entlegenen Regionen, passen sich den Veränderungen, auch der unausweichbaren Globalisierung an. Forscher, Techniker, Kaufleute, Frauen und Männer in ganz Österreich gestalten ihre Umgebung, ihre Unternehmen danach. Sie warten auf politische Entscheidungen, die ihnen das Leben einfacher machen: Sie wollen keine Streithanseln und keine Angstmacher. Medien sollten neue Wege aufzeigen, anstatt immer nur mit den Politikern auf den alten herumzulatschen. Andererseits: Wir sind nicht "Lückenpresse" und schon gar nicht "Lügenpresse", müssen also über Konflikte berichten. Ideen für Österreich wären uns freilich lieber.

P.S.: "Europa ist eine Geschichte der Lernerfolge", sagt EU-Kommissionspräsident Juncker im Gespräch mit Kollegin Margaretha Kopeinig (hier). Ja, hoffentlich.

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