Kaffee und Billard: nicht meins

Kaffee und Billard - für beides hatte ich nie Talent.
Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Ich fühlte mich vom ersten Augenblick an unwohl im Kaffeehaus

von Guido Tartarotti

über einen ganz besonderen Ort.

Irgendwann in der Oberstufe beschlossen meine Freunde, es sei Zeit, sich in den Lebensraum Kaffeehaus vorzuwagen. Sie sahen das als Initiationsritus: Als Kind geht man in die Konditorei und bekommt eine Zimtschnecke. Als Erwachsener geht man ins Kaffeehaus, trinkt Cognac, raucht Gauloises und liest die Neue Zürcher.

Ich fühlte mich vom ersten Augenblick an unwohl im Kaffeehaus. Das Gemisch aus Kaffeegeruch, Mehlspeisen-Aroma und Zigarettendampf fand ich unangenehm, Kaffee mochte ich nie, Mehlspeisen auch nicht, und die Neue Zürcher erwies sich als fad.

Am schlimmsten war jedoch, dass meine Freunde auf die Idee kamen, als äußeres Zeichen ihrer erwachten Männlichkeit Billard zu spielen. Bald hatten alle zusammenschraubbare Queues und warfen mit Fachvokabular wie „Rückläufer“, „Bogenstoß“ oder „besoffenes Doppelkänguru“ um sich (mindestens einen dieser Begriffe habe ich jetzt frei erfunden). Ich fand ihr pseudowichtiges Getue lächerlich. Billard interessierte mich nicht. Diese Verachtung wurzelte natürlich in dem Wissen, dass ich viel zu ungeschickt war, um mitmachen zu können. Leider machte ich den Fehler, mich überreden zu lassen, es einmal zu probieren. Unwillig stocherte ich, ohne richtig hinzusehen, nach den Kugeln – und schaffte aus purem Zufall einen Wahnsinnsstoß. Danach war ich tagelang gezwungen, mitzuspielen, da ich als ungewöhnlich begabter Spieler galt. Es dauerte einige Zeit, bis alle begriffen, dass der Unsinn, den ich dann zusammenspielte, kein Versuch war, sie zu verarschen, sondern mein tatsächliches Können abbildete.

Danach saß ich noch einige Wochen alleine mit der Neuen Zürcher in einer Nische, langweilte mich, stand eines Tages auf und ging nie wieder ins Kaffeehaus. Als ich jetzt erfuhr, dass ein Traditions-Café in Wien zusperrt, tat ich mir schwer, Trauer zu heucheln.

Guido Tartarottis Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 17. März in der Tischlerei Melk und am 20. März im CasaNova Wien zu sehen.

Kommentare