Radelnde Schüler und grüne Streber

Daniela Kittner
Unterrichtsministerin Gehrer hat aus Geldmangel die Turnstunden zusammen gestrichen, und ihre Nachfolgerin Schmied hat aus demselben Grund die Kürzung nicht rückgängig gemacht.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Stattdessen wird jetzt in immer mehr Schulen geradelt. Die Kinder sitzen während des Unterrichts auf Zimmerfahrrädern, auf denen Pulte zum Mitschreiben montiert werden. Das Projekt wurde im Schuljahr 2007/2008 gestartet, inzwischen gibt es österreichweit in allen Schularten an die 100 „Ergometerklassen“. Insgesamt haben die Schüler während des Unterrichts seither 19.000 Kilometer heruntergespult, das entspricht der Entfernung ÖsterreichNeuseeland.

„Gerade angesichts der Tatsachen, dass der Turnunterricht in den Schulen dramatisch gekürzt wurde und die Kinder und Jugendlichen aus Mangel an Bewegung und falscher Ernährung immer dicker werden, sind die Ergometerklassen eine tolle Idee“, befundete der Kärntner Gesundheitslandesrat Peter Kaiser jüngst bei einem Schulbesuch. Also radeln im Unterricht, weil sich der Staat die Turnstunden nicht mehr leisten kann? „Eine Fehlinterpretation“, sagt das Unterrichtsministerium. Radeln im Unterricht solle kein Ersatz für Turnstunden sein. Vielmehr habe die Erfahrung gezeigt, dass sich die Kinder besser konzentrieren und ihr Aggressionspotenzial abbauen, wenn sie ihren Bewegungsdrang ausleben können.

Das Problem der gekürzten Turnstunden will Schmied anders beheben: Seit Kurzem werden Freizeitpädagoginnen ausgebildet, deren Aufgabe es sein wird, in der Nachmittagsbetreuung in den Schulen mit lokalen Sportvereinen zu kooperieren. So sollen die Kinder in den Ganztagsschulen am Nachmittag in den Genuss von Bewegung unter Trainerbetreuung kommen. Das gleiche Modell soll auch für Musik und Theater angewandt werden. Eigentlich ist es paradox: Die Grünen sind die einzige Partei, die sich nicht mit Korruption bekleckert hat, und dennoch kommen sie in den Umfragen kaum vom Fleck.

Im Gegenteil, jetzt haben Meinungsforscher herausgefunden, dass die grünen Wähler besonders bereitwillig zu neuen Parteien wie den Piraten wechseln würden. „Das passiert, weil wir solche Parlaments-Streber sind. Wir lesen jeden Antrag, bringen brav unsere Ideen in Form von Anträgen ein – die dann regelmäßig niedergestimmt werden –, aber wir haben den Kontakt zur Gesellschaft verloren“, sagt der Tiroler Grüne Gebi Mair . Der Grün-Rebell ist bereits österreichweit aufgefallen, weil er Parteichefin Eva Glawischnig durch den bürgernahen Tiroler Klubobmann Georg Willi ersetzt haben wollte. Nun nimmt sich Mair der mangelnden Attraktivität der Grünen für Protestwähler an. Für Mair ist es eine „Kernfrage“, ob es die Grünen schaffen, sich an die Spitze jener Demokratisierungswelle zu setzen, die gerade in Österreich aufbricht, und sich zum Partner vieler jener Wähler zu machen, die von der etablierten Politik und ihren Ritualen die Nase voll haben.

Die Grünen müssen wieder hinaus aus ihren Büros und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und ihren neuen Strömungen ihre Politik entwickeln“, sagt Mair. Die Mandatare der Grünen müssten wieder Kontakt zu gesellschaftlichen Gruppen suchen, anstatt sich „auf jene paar Tausend Mitglieder zu konzentrieren, die die Mandatslisten erstellen“. Mair: „Wir sind viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt.“ All jenen in der ÖVP, die den Präsidenten der Nationalbank gern als Finanzminister sähen, erteilt Claus Raidl nun eine launige Absage: „Ich bin schon vor zehn Jahren als Zukunftshoffnung der ÖVP zurückgetreten.“ Er werde sicher nicht Finanzminister.

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