"Fußball. Wo?"

Die Plastikbecher werden gestapelt, die Aschenbecher ausgeleert, die Leinwände eingerollt und die Tische zurück in ihre richtige Ordnung gebracht. Der Wind weht die Zeitung von gestern vorbei ("Grande Finale"), und irgendwo in der Ferne heult ein Wolf, um die Stimmung zu untermalen. Die Europameisterschaft ist vorbei, und mit ihr ging der Sinn des Lebens aus den vergangenen vier Wochen. Ich werde sie vermissen, die EM. Mir werden die kryptischen SMS jeden Abend fehlen: "Fußball. Wo?" oder "Ger:Ita du auch?" Und die klare Tagesstrukturierung nach den Matchzeiten. Wir müssen wieder über das Wetter reden, statt über Mario Balotellis oder Cristiano Ronaldos Frisur, und wir brauchen wieder echte Gründe, um unsere Freunde auf einen Sommerspritzer oder ein Bier zu treffen. Viele Fragen bleiben nach der EM unbeantwortet. Hat Joachim Löw tatsächlich bei jedem Spiel dasselbe Hemd an – oder hat er für jedes Match ein neues in den Koffer gepackt? Wenn Ersteres: Wer wäscht und bügelt es? Wenn Letzteres: Was machte Löw mit dem sechsten Hemd? Wessen Hemd ist schöner, das von Löw, von Hansi Flick oder gar das von Paulo Bento? Wer macht Cristiano Ronaldos Haare in der Pause? Was bedeuten all die Tätowierungen, die auf Alessandro Diamantis Körper verstreut sind? Die Antworten auf solche Fragen schienen in den vergangenen Wochen so wichtig. Aber heute ist ein neuer Tag. Noch einmal können wir mit Arbeitskollegen und Freunden über das gestrige Match philosophieren, schimpfen oder uns wundern. Noch einmal über alles reden und dann einen Blick in den Eventkalender. Es gibt andere Abendbeschäftigungen, ich gehe diese Woche auf zwei Rock-Konzerte und die Schanigärten kann man auch besuchen, wenn dort kein Flatscreen flimmert. Oder einfach einmal zu Hause einen Film anschauen. "Deutschland. Ein Sommermärchen" vielleicht? Karoline Krause ist Redakteurin in der KURIER-Außenpolitik.