Klimawandel, bitte!

Klimawandel, bitte!
Vernadern, Anzeigen, Leaks: Nach der Wahl muss der Reset-Knopf gedrückt werden, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wenn die FPÖ sagt, dass die Bürger mit der letzten Regierung zufrieden waren, so stimmt das mehrheitlich. In erster Linie wohl wegen des (nach außen) wertschätzenden Umgangs miteinander. Das war nach den gegenseitigen Blockaden und Junktims der „großen“ Koalition tatsächlich ein neuer Stil. Die Bürger sind politikstreitverdrossen. Nun kann man natürlich einwenden, dass im Nachhinein klar wurde, dass auch bei Türkis-Blau nicht alles eitel Wonne war und zum Beispiel die ÖVP zunehmend genervt vom blauen Innenminister war und umgekehrt. Aber im Gegensatz zum zänkischen Koalitionspaar Rot-Schwarz behelligte man die Bürger nicht mit gegenseitigen Wadlbeißereien.

Natürlich müssen in Wahlkämpfen Gegensätze noch schärfer als sonst herausgearbeitet werden. Dennoch ist diesmal eine neue „Qualität“ eingezogen, speziell im Netz. Da werden zum Beispiel gern viral verbreitete Karikaturen anonymer Herkunft eingesetzt, die in Wahrheit in Partei-War-Rooms gebastelte üble Denunziationen sind. Die offizielle Partei hat damit natürlich rein gar nichts zu tun ...

„Am Ende sind alle beschädigt“

Und dann gibt es diesmal nicht nur Verdächtigungen (Kurz über das Ibiza-Video: „Möglich, dass Silberstein dahinter steckt“) und tiefe Beleidigungen („die Aufg’spritzte“: ÖGB-Boss über Mäzenin Horten), sondern auch illegal beschaffte Unterlagen, die scheibchenweise „geleakt“ werden. Da wird aus der Buchhaltung der ÖVP veröffentlicht, wobei bisher wenig politisch Relevantes aufgetaucht ist, außer, dass Kurz die Partei verschuldeter übernommen hat als gedacht. Das hinderte den künftigen Ex-Politiker Peter Pilz nicht daran, Anzeige zu erstatten. In einer Sachverhaltsdarstellung äußert er die Vermutung, die ÖVP stecke selbst hinter dem Hackerangriff und täusche ihn nur vor. Die FPÖ wiederum stellte einen pensionierten, SPÖ-nahen Beamten mit voller Namensnennung in einen Zusammenhang mit jenem Detektiv, der in die Erstellung des Ibiza-Videos involviert gewesen sein soll. (Wo sind eigentlich die Besorgnishofräte, die ansonsten gegen Datenschutzverstöße kämpfen – und wo bleibt die Justiz, die rasch für Klärung der Vorwürfe sorgt, wenn geht, bitte vor der Wahl?)

„Am Ende sind alle beschädigt, Politik und Medien“, meinten Peter Rabl und Franz Ferdinand Wolf in der Runde der (Ex-)KURIER-Chefredakteure in ihrer Wahlkampf-Analyse am KURIER-Tag der offenen Tür. Apropos: Natürlich ist es auch kontraproduktiv, wenn sich Medien wechselseitig diffamieren. Da müssen wir uns selbst an der Nase nehmen. Denn es tritt derselbe Effekt ein, wie in der Politik: Der Bürger hält alle für unglaubwürdig.

Nach dem 29. September wird in der Politik hoffentlich der Reset-Knopf gedrückt. Wenn die Volksvertreter ein Fünkchen an Vertrauen behalten wollen, müssen sie einander fairer behandeln. Denn nach der Wahl ist vor der Wahl: in Vorarlberg, der Steiermark und Wien. Wir wollen nicht auf ewig beim Schlammcatchen zuschauen.

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