Kein Grund für Komplexe

Österreich ist in vielen Bereichen Spitze und hat Zukunftspotenzial: von Tourismus bis Forschung.
Martina Salomon

Martina Salomon

Bei vielen Themen – von EU bis Klimawandel – lehnt sich der gelernte Österreicher unter Verwendung seiner beliebtesten Redewendungen zurück: schaumamal, kannmanixmachen, wirdehnix, lauter Deppate. Schließlich sind wir ohnehin nur ein „Fliegenschiss“ auf der Landkarte.

Ganz stimmt das nicht – Österreich hat Weltruf in Musik, Sport, bei der Lehrlingsausbildung und auch im Tourismus. Wien gilt als eine der lebenswertesten Städte der Welt. Selbst der „Sound of music“-Mythos hallt noch immer nach – und natürlich die Monarchie. Erst vergangene Woche wurde zwischen dem Palastmuseum Peking und dem Kunsthistorischen Museum Wien für 2021 eine große wechselseitige Ausstellung vereinbart: Österreich wird weltberühmte Gemälde als „Kulturbotschafter“ für unser Land nach China senden (und schade, dass die wunderbare Sabine Haag dann nicht mehr Direktorin sein wird).

Können wir also von der gloriosen Vergangenheit zehren, haben aber wenig Zukunftspotenzial? Auch das ist unwahr. 175 österreichische Firmen sind Weltmarktführer, darunter viele „Hidden Champions“, von denen man selten hört. Der Forscher und Erfindergeist ist intakt. Österreich liegt bei den erteilten Patenten auf Platz 6 im europäischen Spitzenfeld.

Da geht noch mehr

Daher befinden sich auch heimische Projekte auf der Shortlist für das EU-Forschungs-„Flagship-Programm“ – u. a. eines zu künstlicher Intelligenz und ein Medizin-Projekt, das aus dem Zustand von Patientengewebe frühzeitige Diagnosen erkennen will. Die „Wiener Medizinische Schule“ war einst weltberühmt. Daran anzuknüpfen ist in größeren Forschungsverbünden deutlich erfolgversprechender. Das ist das Schöne an der EU: an solchen internationalen, geförderten Programmen teilnehmen zu können.

Aber hierzulande gibt es – oft über ideologische Grenzen hinweg – (manchmal durchaus berechtigten) EU-Frust, Tendenzen zur Abschottung und Innovationsfeindlichkeit. Und der Grundsatz: „Wir brauchen Reformen, aber nix soll sich ändern“ gilt ganz besonders für Österreich. Davon lässt sich auch die jetzige Regierung ein wenig leiten. Weil eine Koalition mit blauer Beteiligung immer besonders umstritten ist, will man so wenig Angriffsfläche wie möglich bieten. Aber nicht einmal der unfromme Wunsch der Opposition, eine international geächtete Regierung zu haben, stimmt. Bundeskanzler Sebastian Kurz wird zwar für die freiheitliche Zusammenarbeit kritisiert, dennoch gilt er als europäische Zukunftshoffnung, im Ausland wird er gerne empfangen. Weil er noch immer auffallend jung ist und weil es derzeit wenig interessante bzw. wenigstens unbeschädigte Spitzenrepräsentanten in der europäischen Politik gibt.

Vergeuden wir unser Zukunftspotenzial also nicht mit Minderwertigkeitskomplexen und Raunzen. Selbst das österreichische „A bisserl was geht immer“ ist untertrieben. Da geht noch mehr.

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