Grenzen auf

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In zwei Tagen können wir wieder verreisen, hurra. Jetzt müssten auch noch die Grenzbalken in den Köpfen hochgehen.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

Immer diese Grenzen. Ob es sich um Flüchtlingsströme Richtung Europa handelt oder um ein Virus, das sich mit rasanter Geschwindigkeit nähert – Grenzen dicht ist politisch stets die nahe liegendste Antwort. Selbst wenn es um weniger Wichtiges geht, wenn man jemanden nur ein biss’l ärgern will, zum Beispiel beim beliebten Rempelspiel zwischen Österreich und Bayern um Maut, um das oder die richtige Maß, spürt man das als erstes an den Grenz(kontroll)en.

Mit Grenzen lässt sich seit jeher Politik machen. Nicht immer konstruktiv, zumeist sogar sehr destruktiv. Sobald es um Grenzen geht, ist Vorsicht geboten. Grenzen sind weit oben auf der politischen Alarmskala. Sie sind sogar die Ursache für fast jeden Krieg. Und wenn dann wieder Frieden herrschen soll, sind Grenzöffnungen die ersten Signale.

Nun ist der Krieg gegen Corona noch nicht geschlagen, aber die ersten Schlachten sind es (verzeihen Sie die martialische Sprache, aber wenn man Politikern zuletzt zugehört hat ...) Dabei hätte dieser Kampf im Vergleich zu anderen einen gewaltigen Vorteil gehabt: einen gemeinsamen Feind. Wir hätten uns verbünden können in dieser Krise, zusammenrücken, über Grenzen hinweg miteinander agieren. Welch naive Vorstellung angesichts der Egozentriker, die über alle Welt verstreut an der Macht sind. So etwas kann nur Corona-Hippies einfallen. Träumt weiter, ihr Gutmenschen, und singt euer "Imagine".

Was passiert stattdessen? So gut wie jeder und jedes Land denkt nur an sich selbst. Größere Gemeinschaften wie die EU rücken so weit weg wie eine Herde Elefanten. Und auch im kleinen Rahmen hat man nicht ausreichend Desinfektionsmittel, um alle potenziellen Bedrohungen abzuwehren. Das Anti-Globalisierungsvirus ist zum als Anti-Solidaritätsvirus mutiert.

Nun gehen in zwei Tagen viele Grenzen wieder auf (wahrscheinlich waren sie eh immer offen, werden Verfassungsrechtler irgendwann enthüllen). Schön ist das. Wir können endlich wieder reisen (das ist übrigens jene Tätigkeit, die Menschen früher einmal in den autokratischen Ländern des Ostblocks am meisten vermisst haben). Wir können in andere Länder fahren – angeblich bildet Reisen sogar. Wir können aber auch daheim bleiben, wo es im Sommer besonders schön ist (nicht nur, weil Politiker das sagen). Wir können uns frei entscheiden – darum geht’s in einer liberalen Demokratie.

Genauso wichtig wäre es aber, dass die Grenzen im Kopf wieder aufgehen. Andersdenkende nicht zu verurteilen, nicht zwischen Angsthasen und Hasardeuren zu unterscheiden, nicht mit dem Finger auf jene zu zeigen, die eine andere Corona-Strategie gewählt haben – dieser Weg wäre das Ziel der Corona-Reise. Aber leider ist Nationalismus genauso ansteckend wie das Virus.

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