Geschäftsmodell Aufregung

Ein Video bei der Akademie-ROMY ging vielen zu weit. Warum wir dennoch zu (guter) Satire stehen.
Martina Salomon

Martina Salomon

Was darf Satire? Alles (was strafrechtlich nicht verboten ist). Und umgekehrt? Ja natürlich darf man Satire auch kritisieren, geschmacklos oder peinlich finden. Sehr viele Leser haben das getan und dem KURIER vorgeworfen, dem Provokateur Jan Böhmermann bei der Verleihung der „Akademie-ROMY“ Donnerstagabend eine Bühne gegeben zu haben. Er hatte diese nicht genutzt und sich bloß aus der Ferne mit einer Videobotschaft an die österreichischen „Hurenkinder“ mit ihrem „Kinderkanzler“ gewandt. Kann man lustig finden, muss man aber nicht. Hätte man ihn daheim zu Gast gehabt, hätte man ihn wegen Beleidigung der Gäste vielleicht rausgeschmissen. (Im Vorjahr hatte er angekündigt, zur ROMY in einer glitzernden Burka zu erscheinen, um gegen das Verhüllungsverbot zu demonstrieren. Die Bühne erklomm er dann aber in Zivilkleidung.)

Der Neid der Konkurrenz

Der KURIER hat das Video online veröffentlicht, weil wir uns nicht fürchten und logischerweise auch kein Zensor sind. Die Entscheidung der Jury gilt. Diese hat übrigens nicht ihn persönlich, sondern die Sendung „Lass dich überwachen“ in der Kategorie „beste Programmidee“ ausgewählt. Und weil mich Leser gefragt haben, wer da gewählt hat: Das waren acht Medienjournalisten des Landes (auch aus dem KURIER) unter der Leitung von ROMY-Gründer Rudolf John.

Die Akademie-ROMY ehrt Kreative hinter der Kamera und wird auch nicht im ORF übertragen. So weit, so normal. Die große Aufregung kam erst nach hämischen Artikeln in der kleinformatigen Konkurrenz Österreich und Krone, die uns seit Jahrzehnten das glamouröse ROMY-Fest neiden, Vergleichbares nie selbst geschafft haben und bewusst skandalisieren wollten. Soll sein.

Prompt wurde das erzeugt, wovon Leute wie Böhmermann (übrigens genauso wie der Boulevard!) leben: eine Aufregungsspirale setzte sich in Gang. Diese schwappte dann auch in die sozialen Medien. Empörung gegen Empörung. Sogar von Druck der Politik auf den KURIER war die Rede. Was nicht nur die übliche Twitter-Perfidie und einfach falsch ist, sondern auch von schlechter Politik-Kenntnis zeugt. Denn wenn Satire so überzieht, dann nutzt es fast immer den Attackierten. Abgesehen davon: Auch wenn das Video als Kunstprodukt und Provokation zu verstehen ist, möchte man sich nicht vorstellen, was im Land los wäre, hätte sich ein Rechter über die Österreicher auf diese Art lustig gemacht.

Mit feiner Klinge

Nein, das ist jetzt überhaupt keine Distanzierung von Satire, ganz im Gegenteil. Wir können das selbst auch. Sogar sehr gut. Siehe Michael Pammesberger. Seine Kunst, alle mit feiner Klinge „vorzuführen“, beherrscht niemand im Land besser. (Der bekannte Verhaltensforscher Antal Festetics meinte bei der ROMY-Gala am Samstag sogar zu mir, der Pammesberger müsse in der Zeitung noch größer sein. Ok, ich denke noch darüber nach.)

Wir im KURIER haben kürzlich selbst ein Online-Satireportal gegründet: kuriermitschlag.at. Dort sind wir respektlos, vielleicht manchmal auch blöd oder nicht ganz geschmackssicher. Das halten wir aus, das halten die Leser aus, das muss auch die Politik aushalten. Klarerweise ist es ja meist die Regierung (und weniger die Opposition), die da ihr Fett abkriegt. Und die Satiriker haben hoffentlich selbst auch kein Glaskinn, wenn man sie kritisiert (oder doch?). Sie werden weiterhin eine Plattform im KURIER finden, wir werden sie bei der ROMY weiterhin auszeichnen, mit ihnen feiern, über sie schreiben (und sie bei uns schreiben lassen).

Was das jetzt für die ROMY bedeutet? Im Grunde gar nichts Schlechtes. Aufregung bringt Aufmerksamkeit. Zum ersten Mal schaffte es die ROMY in den Hollywood Reporter und hatte auf ORF2 bis zu 570.000 Zuseher.

Und ab jetzt: Osterfriede?

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