Putins Strategie ist gescheitert

Russian President Vladimir Putin meets with Belarusian President Alexander Lukashenko
Unabhängig vom Ausgang des Krieges in der Ukraine ist Russlands Situation schlechter als davor. Ein Gastkommentar von Janos I. Szirtes.

Die zaristische – sowjetische – russische Außenpolitik bewegte sich mit kleinen Unterbrechungen zwischen zwei Eckpfeilern: Entscheidenden Einfluss auf die Weltpolitik auszuüben und die Angst vor Überfällen durch angrenzende Staaten. Diese bilden weiterhin eine unheilige Allianz der auswärtigen Strategie des flächenmäßig zwar größten, an Bevölkerung jedoch an neunter Stelle stehenden Staates mit einer ökonomischen Kraft, die mit Italien vergleichbar ist.

Der Kreml hat keine Grundlage für die Großmachtssehnsüchte, sein Anspruch ist dennoch geblieben. Putin griff also zu der ihm verbliebenen Möglichkeit, der Drohung und im Schatten dieser zu begrenzten konventionellen militärischen Maßnahmen. Im Kaukasus und Donbass wurden Vasallengebiete geschaffen, die Krim wurde mit grünen Männchen besetzt und als die Staatengemeinschaft keine wirksamen Schritte unternahm, einverleibt. In einem Blitzkrieg sollte dies gleichfalls mit der Ukraine geschehen, doch zur Überraschung aller ist dies missglückt. Daraus entstand das heutige Dilemma.

Putins Strategie ist gescheitert

Janos I. Szirtes

Tatsächliches Ziel der Aggression war, den Sicherheitsbedürfnissen und den Großmachtwünschen näher zu kommen, die Forderungen Moskaus vom Dezember 2021 skizzieren dies: Die Welt soll ein Maximum an Sicherheit für Russland akzeptieren und ein Minimum für sich, einige Staaten würden Teile ihrer Souveränität aufgeben müssen. Die NATO soll sich von den russischen Grenzen zurückziehen und dieser Raum entmilitarisiert werden.

Tatsächlich jedoch hat man die NATO nicht verjagt, sondern die Konfrontationszone um 4800 km (Finnland und Schweden) erweitert. Auch um die Großmachtwünsche ist es nicht besser bestellt. Russlands Außenpolitik ist in die Isolation geraten, die „neuen“ Verbündeten, Iran und Nordkorea, sind sichtbares Zeichen dafür. In der UNO befindet sich Russland in absoluter Minderheitsposition. Gegenüber Peking verlor der Kreml an Augenhöhe und wurde Juniorpartner.

Bei beiden strategischen Zielen hat Putin unabhängig vom Ausgang des Krieges versagt, und eine Situation geschaffen, in der er schlechtere Bedingungen hat als davor. Die innenpolitische Lage hat sich ebenfalls verschlechtert. Nur noch etwas über die Hälfte unterstützt den Krieg. Bedenklich für das System ist vor allem, dass dies bei der bisherigen Hauptstütze zu beobachten ist. Da die Gefallenen hauptsächlich vom Land und aus verarmten Gebieten stammen, wünscht man sich dort ein Ende des Krieges. Die Oligarchie ist sich dessen wohl bewusst, die „russische Seuche“, das aus dem Fenster fallen ihrer Mitglieder, oder die Prigoschin-Erscheinung, zeugt davon. 

Mit der Homogenität dieses Kreises ist es sichtbar vorbei. Die historischen Erfahrungen, z. B. die Rolle von Juan Carlos zeugen davon, dass es im „loyalen“ Kreis der Machthaber sehr wohl Potenzial für eine gravierende Veränderung von der Diktatur auch hin zur Demokratie geben kann und die zunehmende Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung das seine dazu beiträgt.

 

Janos I. Szirtes ist Politikwissenschaftler und lebt in Budapest. War Journalist und Diplomat, ist Verfasser von zahlreichen Büchern

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