Plagiate: Wer ist hier Jäger und wer Gejagter?
Meinem geschätzten Kollegen und Freund Gottfried Schellmann, den ich als großen Experten des Wirtschafts- und Steuerrechts kenne, muss ich diesmal widersprechen – und im zentralen Punkt recht geben.
Beginnen wir mit der Einführung: „Eine Plagiatsprüfung ist ein standardisiertes digitales Verfahren…“. Tatsächlich ist die digitale Überprüfung nur ein Teil des angewandten Instrumentariums. Es ist davon auszugehen, dass Stefan Weber das weiß und sein Handwerk beherrscht. Wenn Schellmann darauf hinweist, dass FHs nur 10 Betreuungsstunden für eine Masterarbeit von 80 Seiten abgelten, dann ist das tatsächlich ein Problem: Auch FHs sollten Veranstaltungen zum Einlernen der guten wissenschaftlichen Praxis (GWP) anbieten – die Unis sollten die angekündigten Einheiten tatsächlich abhalten.
Weber ist letzthin unter Beschuss geraten, nachdem er zu Abschlussarbeiten einiger gesellschaftlich besonders exponierter Persönlichkeiten Kritik geäußert hat. Wenn ihm ziellose Menschenhatz vorgeworfen wird, dann wird übersehen oder verschwiegen, dass seine – vielfach bekundete – Intention eine ganz andere war und ist: Nämlich die Sicherstellung von GWP auch in Österreich. Er hat umfassende Ausbildungsangebote erstellt. Diese wurden approbiert und plötzlich abgesetzt – unmittelbar im Gefolge von kritischen Äußerungen betreffend die Abschlussarbeiten von einflussreichen Persönlichkeiten. Wer ist hier Jäger und wer Gejagter?
Letztlich wird man sich aber auch in Österreich diesen Herausforderungen stellen müssen: Habilitationen unter Verstoß gegen die GWP, großflächige Nichtabhaltung von Diplomandenseminaren (soweit überhaupt vorgesehen), Approbierung von Diplomarbeiten mit unendlich vielen Rechtschreib- und Ausdrucksfehlern, inhaltlich wahrer Unfug, schamlose „gutgläubige Übernahmen“ aus anderen Arbeiten, Dissertationen, die zu wesentlichen Teilen aus Kopien aus dem Netz bestehen: All dies ohne Konsequenzen in Österreich – das geht einfach nicht!
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Ob man FHs einen guten Dienst erweist, wenn man für diese einen eigenen (niedrigeren) Standard für Abschlussarbeiten schafft, muss bezweifelt werden. Umgekehrt könnte ein einheitlicher (hoher!) Standard ein gutes Argument darstellen, diesen auch das Promotionsrecht einzuräumen.
Schellmann, den ich nicht nur als ausgewiesenen Fachmann, sondern auch als herzensguten Menschen kenne, hat aber im zentralen Punkt recht: Wir müssen weg von der persönlichen Ebene und die Probleme umfassend angehen. Dies setzt eine grundlegende Reform des Universitätsgesetzes, die Einführung einer Qualitätssicherungsbehörde, echte Konsequenzen bei groben Missständen und auch ein umfassendes Ausbildungsangebot zur GWP voraus, wie es Herr Weber bereits erarbeitet hat.
Peter Hilpold lehrt Völkerrecht, Europarecht und Steuerrecht an der Universität Innsbruck.
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